Schöne Ruinen
ist typisch Saundra: eine Kellnerin mit den Ansprüchen einer Poetin. Sie haben sich in Tucson kennengelernt, wo sie im Café Cup of Heaven arbeitete, das Shane jeden Morgen zum Schrei ben aufsuchte. Er verlor sein Herz in dieser Reihenfolge an: ihre Beine, ihr Lachen, ihre Schwärmerei für Autoren und die Bereitschaft, seine Arbeit zu unterstützen.
Sie dagegen verlor ihr Herz vor allem an seinen Bockmist. Oder besser gesagt, wie sie am Ende erklärte, sie fiel darauf herein.
»Hör mal«, meint Shane, »kannst du dir noch kurz die Kulturkritik verkneifen und Universal City auf Mapquest für mich suchen?«
»Du hast wirklich einen Termin in Hollywood?«
»Ja«, antwortet Shane. »Bei einem großen Produzenten auf einem Studiogelände.«
»Was hast du an?«
Mit einem Seufzen wiederholt er, was ihm Gene Pergo eingeschärft hat: Was man zu einem Pitch-Termin trägt, spielt keine Rolle (außer man hat einen kugelsicheren Anzug) .
»Wetten, dass ich weiß, was du anhast?« Ohne Zögern beschreibt Saundra bis zu den Socken genau seine Kluft.
Inzwischen bedauert Shane den Anruf. »Hilf mir einfach, damit ich weiß, wo ich hinmuss.«
»Wie heißt dein Film?«
Shane atmet durch. Er muss sich daran erinnern, dass ihre bitter-kühle Ironie keine Macht mehr über ihn hat. » Donner! «
Saundra schweigt kurz. Doch sie kennt seine Interessen, seine Büchertischobsessionen. »Du schreibst einen Film über Kannibalen?«
»Ich sag dir doch, ich pitche einen Film, und es geht nicht um Kannibalen.«
Sicher ist die Donner-Party kein einfaches Filmthema. Aber beim Pitchen kommt es nur auf den Ansatz an, wie Mi chael Deane in dem oft kopierten Kapitel vierzehn seines Memoiren-Selbsthilfe-Klassikers Der Weg des Deanes be tont hat:
Ideen sind Schließmuskeln. Jedes Arschloch hat welche. Was zählt, ist der Ansatz. Ich könnte heute bei Fox antanzen und einen Film über ein Restaurant verkaufen, das gebackene Affeneier serviert, wenn ich den richtigen Ansatz habe.
Und Shane hat den perfekten Ansatz. Donner! soll sich nicht um die klassische Geschichte der Donner-Party drehen – die vielen frierenden und verhungernden Menschen in ihrem grausigen Lager, die sich zuletzt gegenseitig aufessen –, sondern um einen Wagenbauer namens William Eddy aus dieser Reisegesellschaft, der eine Gruppe von Menschen, überwiegend junge Frauen, auf einem qualvollen, heldenhaften Marsch durch die Berge in Sicherheit bringt und dann – aufgepasst, dritter Akt! – , nachdem er wieder zu Kräften gekommen ist, zurückkehrt, um seine Frau und Kinder zu retten! Als Shane dem Agenten Andrew Dunne am Telefon diese Idee erklärte, fühlte er sich richtiggehend belebt von ihrer Kraft: Es ist eine Geschichte des Triumphs, eine epische Ge schichte über Widerstandskraft! Mut! Entschlossenheit! Liebe! Noch am gleichen Nachmittag vereinbarte der Agent einen Termin bei Claire Silver, einer Entwicklungsassistentin von … nicht zu fassen … Michael Deane !
»Hm«, macht Saundra, nachdem sie alles gehört hat. »Und du meinst wirklich, dass du das verkaufen kannst?«
»Ich bin davon überzeugt«, antwortet Shane. Und er ist wirklich davon überzeugt. Das ist nämlich ein wesentlicher Unterpunkt seines HANDLE -als-ob-Selbstvertrauens: der tiefe Glaube seiner Generation an eine säkulare filmbedingte Vorsehung , an die durch Jahrzehnte des Entertainments perfektionierte Idee, dass nach dreißig, sechzig oder hundertzwanzig Minuten Komplikationen letztlich alles gut ausgehen wird.
»Okay.« Saundra ist immer noch nicht völlig immun gegen den unbestreitbaren Charme von Shanes Selbstverliebtheit, und sie gibt ihm die Mapquest-Anweisungen durch. Nachdem er sich bedankt hat, sagt sie: »Viel Glück heute, Shane.«
»Danke«, wiederholt Shane. Und wie immer hinterlässt das leidenschaftslose und vollkommen aufrichtige Wohlwollen seiner Frau das Gefühl in ihm, der einsamste Mensch auf dem Planeten zu sein.
Es ist vorbei. Was für ein blödes Abkommen: Ein einziger Tag, um eine Idee für einen großartigen Film zu finden? Wie oft hat ihr Michael erklärt: Wir sind nicht im Filmbusiness, sondern im Klatschbusiness. Und stimmt schon, der Tag ist noch nicht ganz vorbei, aber ihr Viertel-vor-drei-Termin zupft an einem offenen Schorf an seiner Stirn, während er einen TV -Prozess pitcht (Da ist dieser Cop – zupf – ein Zombie-Cop) , und Claire spürt den Verlust von etwas Lebendigem in ihr, den Tod ihrer Zuversicht. Ihr Viertermin kommt an scheinend nicht (ein
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