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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
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sie umkehren, um das apokalyptische Material zu holen, schnell bei Kentucky Fried Chicken vorbeifahren, sich mit Daryl einen gemütlichen Abend machen und sich erst am Montag wieder um ihr Leben kümmern. Sie wendet, wird wieder durch die Schranke gewinkt und parkt auf dem Platz gegenüber Michaels Büro. Sie macht sich auf den Rückweg, doch als sie um die Ecke kommt, sieht Claire Silver vor der Tür zum Bungalow nicht nur einen hoffnungslosen Fall … sondern gleich zwei. Sie erstarrt und überlegt, ob sie sich nicht lieber verkrümeln soll.
    Manchmal stellt sie Vermutungen über die Menschen an, die am Wild-Pitch-Freitag aufkreuzen, so auch jetzt: Wuschelkopf mit Koteletten in maschinell zerrissener Blue Jeans und falschem Westernhemd? Der Sohn von Michaels früherem Koksdealer. Und der silberhaarige, blauäugige Alte im dunkelgrauen Anzug? Gar nicht so leicht. Ein Typ, den Michael 1965 bei einer Orgie im Haus von Tony Curtis kennengelernt hat?
    Der Jüngere mit der hektischen Miene hat sie bemerkt. »Sind Sie Claire Silver?«
    Nein, denkt sie. »Ja«, sagt sie.
    »Ich bin Shane Wheeler, es tut mir furchtbar leid. Ich war im Stau und hab mich verfahren … Besteht vielleicht die Chance, dass wir unser Gespräch doch noch führen?«
    Hilflos fixiert sie den Älteren, der den Hut abnimmt und ihr die Visitenkarte entgegenstreckt.
    »Pasquale Tursi«, sagt er. »Ich bin … suche … Mr. Deane.«
    In der Tat: zwei hoffnungslose Fälle. Ein Junge, der in LA den Weg nicht findet, und ein Zeitreisender aus Italien. Beide starren sie an und halten ihr Michael Deanes Karten hin. Sie nimmt sie. Wie nicht anders zu erwarten, ist die des Jüngeren neuer. Sie dreht sie um. Unter Michaels Unterschrift steht eine Notiz des Agenten Andrew Dunne. Neulich hat es zwischen ihr und Andrew gefunkt – aber nicht in dem Sinn, dass sie Sex mit ihm hatte, denn das wäre verzeihlich gewesen. Nein, sie hat ihn gebeten, die Verbreitung einer Demoaufnahme zur improvisierten Modeshow Wenn der Schuh passt eines seiner Kunden zu verschieben, damit Michael sich die Sache durch den Kopf gehen lassen konnte. Doch dann entschied sich Michael für die Konkurrenzidee Schuhfetisch , womit die Idee von Andrews Kunden gestorben war. Die No tiz des Agenten lautet: »Viel Spaß!« Ein Rache-Pitch. O Mann, da muss was Furchtbares auf sie zurollen.
    Die andere Karte ist ihr ein Rätsel, die älteste Visitenkarte von Michael Deane, die ihr je unter die Augen gekommen ist, verblasst und zerknittert, aus Michaels erstem Studio, 20th Century Fox. Vor allem der Job fällt ihr auf: PR ? Michael hat in der PR angefangen? Wie alt ist diese Karte eigentlich?
    Offen gestanden, wenn Daryl etwas anderes geschrieben hätte als kfc und hookbook unzensiert , hätte sie diesen beiden Typen nach so einem Tag vielleicht einfach erklärt, dass nichts mehr geht – dass sie die heutige Wohltätigkeitsveranstaltung verpasst haben. Doch sie muss wieder an das Schicksal und ihr Abkommen denken. Wer weiß? Vielleicht hat einer von diesen beiden … Also gut. Sie sperrt die Tür auf und fragt noch einmal nach ihren Namen. Buschige Koteletten = Shane. Glupschauge = Pasquale.
    »Kommen Sie doch gleich zusammen mit in den Konferenzraum«, sagt sie.
    Im Büro sitzen sie unter Plakaten von Michaels klassischen Filmen (Mind Blow , Diebe der Liebe) . Keine Zeit für Geplänkel; es ist das erste Pitch-Treffen seit Menschengedenken, in dem kein Wasser angeboten wird. »Mr. Tursi, möchten Sie vielleicht als Erster?«
    Verwirrt schaut er sich um. »Mr. Deane … er ist nicht hier?« Er spricht, als würde er jedes Wort kauen.
    »Nein, er ist heute leider nicht da. Sind Sie ein alter Freund von ihm?«
    »Ich lerne kennen …« Er starrt zur Decke. »Eh, nel sessantadue.«
    »1962«, sagt der Jüngere. Als Claire ihn neugierig ansieht, zuckt Shane die Achseln. »Ich hab ein Jahr lang in Italien studiert.«
    Claire malt sich aus, wie Michael und dieser Alte in einem Cabrio durch Rom gekurvt, Schauspielerinnen flachgelegt und Grappa getrunken haben. Jetzt macht Pasquale Tursi eher einen ratlosen Eindruck. »Er sagt … ich … brauche was jemals .«
    »Klar«, erwidert Claire, »ich werde Michael alles über Ihren Pitch erzählen, versprochen. Fangen Sie doch einfach mal an.«
    Pasquale kneift die Augen zusammen. »Mein Englisch … ist lange her …«
    »Der Anfang«, wirft Shane ein. »L’inizio.«
    »Da ist dieser Typ …«, souffliert Claire.
    »Eine Frau«, sagt Pasquale Tursi. »Sie kommt

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