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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
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Minuten – dreißig, als er vom zweiten Wachmann seinen Ausweis zurückbekommt, zitternd einen Parkausweis aufs Armaturenbrett drückt und den Wagen endlich auf das Areal steuert.
    Eigentlich hat Shane jetzt nur noch siebzig Meter bis zu Michael Deanes Bungalow, doch er stolpert in der falschen Richtung aus dem Auto, irrt zwischen den großen Studiogebäuden herum – der sauberste Lagerhallenbezirk der Welt –, bis er nach einer ganzen Runde auf eine mit gürteltaschenbehängten Touristen gefüllte Straßenbahn zusteuert. Fotoapparate und Handys knipsbereit in den Händen, lauschen sie einem mit Mikro ausgerüsteten Führer, der apokryphe Geschichten über den Zauber früherer Tage erzählt. Atemlos hören die Fotoapparatleute zu und warten auf Verbindungen zu ihrer eigenen Vergangenheit (den Streifen habe ich geliebt!) , und als Shane auf ihre Straßenbahn zuwankt, glei chen die starkundigen Touristen seine zerzausten Haare, brei ten Koteletten und mageren, leicht verzweifelten Züge mit Tausenden in ihrer Datenbank abgespeicherten Promigesich tern ab – ist das ein Sheen? Ein Baldwin? Vielleicht nach einer Entziehungskur? Und obwohl sie Shanes seltsam ansprechen des Äußeres keiner Berühmtheit zuordnen können, machen sie für alle Fälle Bilder von ihm.
    In schwer verständlichem Kauderwelsch labert der Straßenbahnfahrer in sein Headset, dass eine bestimmte Trennungsszene aus einer bestimmten berühmten Fernsehsendung berühmterweise »gleich dort drüben« gefilmt wurde. Als Shane sich nähert, hebt der Fremdenführer den Finger, um seine Geschichte beenden zu können. Schwitzend, den Tränen nah und in tiefster Selbstverachtung muss Shane gegen den Drang ankämpfen, seine Eltern anzurufen. Seine HANDLE -Entschlossenheit ist nur noch eine ferne Erinnerung.
    Verzweifelt starrt Shane auf das Namensschild des Fremdenführers: ANGEL . »Entschuldigung.«
    Angel bedeckt sein Headsetmikro und blafft mit schwerem Akzent: »Was is?«
    Angel ist ungefähr in seinem Alter, also schlägt Shane einen Kumpelton an. »Hey Alter, bin total spät dran. Kannst du mir sagen, wo Michael Deanes Büro ist?«
    Seine Frage veranlasst einen weiteren Touristen, Shane zu fotografieren. Angel hingegen lässt nur den Daumen nach hinten zucken und fährt mit seiner Straßenbahn weiter. Hinter ihr taucht ein Schild an einem Bungalow auf, auf das er wohl gedeutet hat: MICHAEL DEANE PRODUCTIONS .
    Shane schielt auf die Uhr. Sechsunddreißig Minuten Verspätung. Scheißescheißescheiße. Er rennt um die Ecke, und da ist es. Doch ein alter Mann mit Gehstock blockiert die Tür zum Eingang. Einen Moment lang denkt Shane, es könnte Michael Deane persönlich sein, obwohl der Agent gesagt hat, dass nicht Deane zu dem Termin kommt, sondern seine Entwicklungsassistentin Claire Soundso. Aber es ist nicht Michael Deane. Es ist bloß irgendein alter Knacker, siebzig vielleicht, in dunkelgrauem Anzug und Filzhut, mit einem Gehstock über dem Arm und einer Visitenkarte in der Hand. Als Shanes Schuhe über das Pflaster klackern, dreht sich der Alte um und nimmt den Hut ab, unter dem ein schiefergrauer Schopf und merkwürdig korallenblaue Augen zum Vorschein kommen.
    Shane räuspert sich. »Wollen Sie rein? Weil ich … ich bin sehr spät dran.«
    Der Mann hält ihm die Visitenkarte hin: uralt, zerknittert, fleckig, die Schrift verblasst. Sie ist von einem anderen Studio, 20th Century Fox, doch der Name stimmt: Michael Deane.
    »Da sind Sie richtig hier.« Shane zeigt ihm seine eigene Visitenkarte von Michael Deane, ein neueres Modell. »Sehen Sie? Er ist inzwischen in diesem Studio.«
    »Ja, gehe ich hier.« Der Mann spricht mit starkem italienischen Akzent – Shane ist sich sicher, weil er ein Jahr in Florenz studiert hat. Er deutet auf die Karte von 20th Century Fox. »Sie sagen, gehe ich hier.« Er deutet auf den Bungalow. »Aber ist … verschlossen.«
    Shane will es nicht glauben. Er macht einen Bogen um den Alten und probiert die Tür. Ja, verschlossen. Dann ist alles vorbei.
    »Pasquale Tursi.« Der Mann hält ihm die Hand hin.
    Shane schüttelt sie. »Großer Loser«, erwidert er.
    Claire hat Daryl per SMS gefragt, was er zum Abendessen will. Seiner Antwort, kfc , folgt eine weitere SMS : hookbook unzensiert. Sie hat ihm verraten, dass ihre Firma im Web- TV eine dreckigere Version der Show bringen wird, vollgepackt mit den nackten Tatsachen und der durchweichten Blödheit, die sie im regulären Fernsehen nicht ausstrahlen können. Also wird

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