Schöne Zeit der jungen Liebe
Fleck, aber mein Kopf hat immer die Oberhand gehabt. Und plötzlich, mit vierzig, werde ich sentimental, weil ein Mann sich in mich verliebt und ich Mitleid mit ihm habe und weil die Jahre so schnell vergehen. Statt ihn fortzuschicken, rede ich von Trost, will ihn an mein Herz drücken! Und das hätte ich vielleicht sogar getan, wenn nicht ein Vogel vom Himmel gefallen wäre, und wenn der Mann mir nicht heute abend genauso einen Schlag versetzt hätte wie ich neulich ihm. Was für eine Lehre! Gott sei Dank, daß sie noch rechtzeitig kam. Sie sagte: »Aber ich hätte mich schon in ihn verlieben können.«
Er dachte nach. »Nein, ich glaube nicht. Du nicht.« Und nach einer Weile fügte er hinzu: »Weil ich meine, daß du vielleicht auch so einen Schutzschild hast wie Gaylord.«
»Ich weiß nicht«, sagte sie. »Ich weiß es wirklich nicht.«
18
Die Sterne blickten herab auf das heitere und friedliche Stückchen England, das die Pentecosts sich geschaffen hatten.
Der alte John Pentecost schlief. Er war zur Schule gegangen, hatte geheiratet und seine Frau hergeben müssen, hatte Krieg und Frieden erlebt, und seine Welt hatte sich mehr und schneller verändert als die Welt irgendeines Menschen vor ihm: vom Handkarren über Autos und Flugzeuge bis zur Überschallmaschine. In seiner Jugend waren noch Teile Afrikas zu entdecken gewesen. Heute schickte man Sonden zum Mars. Er hatte Menschen erlebt - so schien es ihm jedenfalls -, die hart geworden waren wie der Beton, der sie umgab, und das Gelächter der Welt war schrill geworden, soweit es nicht schon verstummt war. Er war froh, alt zu sein. Er war froh, seine besten Jahre zu einer Zeit gehabt zu haben, als die Menschen noch bescheiden waren. Er war froh, daß er nicht wie Gaylord an der Schwelle einer Welt stand, die so hektisch aktiv war, daß sie ihre eigene Hohlheit nicht bemerkte. Schlaf und Vergessen: Für einen alten Menschen gab es nichts Besseres.
Amanda hatte ihren Kummer darüber, daß Roger Miles offensichtlich Christine liebte, vergessen, denn sie hatte sich vor fünf Minuten in einen toll aussehenden jungen Feuerwehrmann namens Reg verliebt. Sie war zehn Jahre alt, und für sie war die Welt herrlich und in Ordnung. Fröhlich schlug sie ein Rad und lief unter dem Sternenhimmel nach Hause.
May und Jocelyn spürten plötzlich wieder das feste Band der Liebe. Sie waren einander wieder nahe, ganz nahe. May war zurückgekehrt. Sie war in Gedanken fortgewesen, aber sie hatte sich nicht weit entfernt. Ein Schutzschild hatte sie vor Gefahren bewahrt. Die Jahre, die vor ihnen lagen, würden gute Jahre sein, solange sie zusammen waren. Und weiter wollte May heute nicht denken.
Und die Sterne blickten auch auf Gaylord Pentecost und auf Liz Bunting herab.
Nächtliche Landstraßen sind für Liebende geschaffen. Aber was nützen sie, dachte Liz Bunting bitter, wenn der Geliebte vor Kälte zittert und mit den Zähnen klappert. »Komm schnell ins Haus, Gaylord«, drängte sie.
»Ich muß erst runter und nach Miles sehen.«
»Das ist doch Unsinn, Gaylord!«
»Nein. Er lag am Ufer, als ich wegging. Vielleicht ist er wieder ins Wasser gerutscht oder sonstwas.«
Sie hielt ihn am Ärmel fest, aber er machte sich los. »Hör zu«, sagte sie ärgerlich, »Roger Miles wird nie etwas wirklich Schlimmes passieren. Der fällt immer wieder auf die Beine!«
Er hörte nicht auf sie. Aber als sie ans Ufer kamen, war von Miles nichts mehr zu sehen. »Was hab ich gesagt?« Liz war wütend. »Der ist bestimmt längst zu Hause, der gemeine Egoist. Und wir suchen hier, und ich wollte dir so gern etwas Warmes zu essen machen, während du badest, und nun ist deine Mutter bestimmt schon vor uns zu Hause und wird für dich sor-
gen, und ich kann nichts mehr für dich tun, und morgen reist du ab, und ich sehe dich erst zu Weihnachten wieder.« Diese für Gaylord erstaunliche Rede ging immer mehr in einen Klagegesang über, und Liz begann dabei immer schneller auf seine Brust zu trommeln.
Merkwürdig. So hatte sich Liz noch nie verhalten. Gaylord wußte nicht mehr, was er sagen sollte. Dann fiel ihm etwas ein, was er ihr hatte mitteilen wollen. »Du, Miles hat gesagt, ich komme vielleicht im nächsten Semester in die erste Rugby-Mannschaft.«
Sie hörte auf zu trommeln. Sie war erschöpft und beschämt und verzweifelt. Die Tränen liefen ihr über die Wangen. »Fein, Gaylord«, sagte sie. »Das freut mich aber. Gut!«
»Nein, deshalb habe ich’s dir nicht
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