Schönes Leben noch! (German Edition)
was ihr die Erniedrigung ersparte, wieder in ihrem alten Zimmer zu wohnen. Ihrem einstigen Zuhause wurde wieder zu seiner ursprünglichen viktorianischen Schönheit verholfen, und so zog Jill vorübergehend bei ihrer Tante Beverly ein.
Beim Gedanken an das warme Lächeln und das mit Potpourri überfüllte Haus der älteren Frau trat Jill aufs Gas. Sie fuhr durchs Stadtzentrum – wenn man es überhaupt so nennen konnte – und kam am südlichen Ende heraus. Nachdem sie mehrmals abgebogen war, hielt sie vor einem zweigeschossigen Haus aus den 1940ern. Das Dach über der breiten Veranda wurde von zwei steinernen Säulen gestützt. Mehrere verwitterte Rattanmöbel standen auf der Veranda und boten einen Platz, von dem aus man alles beobachten konnte, was um einen herum geschah. Jill befand sich momentan eher in einer „Ich igele mich ein und lecke meineWunden“-Stimmung, aber das würde vorbeigehen. Und dann säße sie sicher gern in dem alten Schaukelstuhl neben der Hollywoodschaukel.
Sie parkte vor dem Haus und stieg aus. Anscheinend hatte Tante Bev aus dem Fenster geschaut, denn sie kam aus dem Haus und lief die Treppe hinab.
Beverly Antoinette Cooper, die von ihren Freunden Bev genannt wurde, war in wohlhabende Verhältnisse geboren worden. Zwar besaß ihre Familie keine märchenhaften Reichtümer, aber eben doch genug, dass sie niemals einen Job hätte annehmen müssen – auch wenn sie nach ihrem Collegeabschluss einige Jahre als Lehrerin gearbeitet hatte. Die zierliche rothaarige Frau mit dem breiten Lächeln war die jüngere von zwei Schwestern. Sie war nach Los Lobos gekommen, als ihre Schwester Jills Vater geheiratet hatte, und geblieben.
Jill war dankbar, sie zur Tante zu haben. Beverly urteilte oder kritisierte nicht vorschnell. Meistens verteilte sie Umarmungen, Zuneigung und manchmal auch merkwürdige Ratschläge. Sie bezeichnete sich selbst als Medium mit übersinnlichen Kräften – allerdings stand ein objektives Urteil darüber noch aus.
Seit Jill ihren untreuen Ehemann und seine Sekretärin auf seiner Anrichte ertappt hatte, hatte sie sich nicht mehr so gut gefühlt wie in diesem Moment. Sie ging um das Auto herum und blieb vor ihrer Tante stehen. „Da bin ich.“
Ihre Tante lächelte. „Heißes Gefährt.“
Jill sah zu dem glänzenden BMW 545. „Ist nur ein Mittel zum Zweck“, erwiderte sie achselzuckend.
„H-hm. Gehört er Lyle?“
„In Kalifornien gilt die Regelung der Zugewinngemeinschaft“, sagte Jill trocken. „Da er den Wagen nach unserer Heirat angeschafft hat, gehört er mir genauso wie ihm.“
„Du hast ihn mitgenommen, weil du wusstest, dass es ihn stinksauer machen würde.“
„Stimmt genau.“
„Das ist mein Mädchen.“ Ihre Tante sah sich Jills Hemd an und zog die Augenbrauen hoch. „Hast unterwegs wohl was gegessen, hm?“
Jill blickte an dem maßgeschneiderten Hemd aus hundert Prozent ägyptischer Baumwolle herunter, das sie zu ihrer Jeans trug. Die Ärmel reichten ihr bis weit über die Finger. Sie hätte gut zweieinhalb Mal in das Kleidungsstück reingepasst. Es gehörte Lyle und war eines seiner Lieblingsteile. Er hatte es für den Schleuderpreis von fünfhundert Dollar in Hongkong bestellt. Von diesen Hemden besaß er insgesamt vier. Die anderen drei lagen in ihrem Koffer.
„Ja, einen Burrito“, antwortete sie und rieb sich über den rotbraunen Fleck unter der rechten Brust. „Könnte scharfe Soße sein. Ich habe unterwegs bei Taco Bell angehalten.“
„Bitte sag mir, dass du im Auto gegessen hast“, sagte Bev verschmitzt. „Lyle hat es doch noch nie leiden können, wenn man im Auto isst.“
„Jeden Bissen“, meinte Jill.
„Sehr gut.“
Bev breitete die Arme aus. Jill zögerte nur eine Sekunde, bevor sie sich in die Umarmung der kleineren Frau stürzte. Zwei Tage lang hatte sie sich zusammengerissen und sich um die Logistik gekümmert, die es brauchte, um ihr Leben neu zu ordnen. Sämtliche Gefühle hatte sie sorgfältig weggepackt, um sie erst im richtigen Moment herauszulassen. Dieser Moment schien jetzt gekommen zu sein.
Ihr Gesicht wurde heiß, ihre Brust zog sich zusammen, und ein Zittern durchlief ihren Körper.
„Ich habe ihn mit ihr erwischt“, flüsterte sie. Ihre Stimme war vor Schmerz und unterdrückten Tränen ganz belegt. „Im Büro . Es war so ekelhaft. Er hat sich noch nicht mal ausgezogen – seine Hose hing ihm um die Knöchel, und er sah so lächerlich aus. Warum hat sie nicht von ihm verlangt, sich
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