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Schokoherz

Schokoherz

Titel: Schokoherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Castle
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wichtig wie Blut. Neben meinem Blutkreislauf habe ich so eine Art zweites Kreislaufsystem, das Süßes durch meinen Körper pumpt. Jedes Aufreißen von Silberfolie löst in mir dieselbe Vorfreude aus wie vor Jahren der Anblick jener ersten Schokoladentorte. Und im Gegensatz zu Heroin oder anderen Drogen (zumindest habe ich mir das so sagen lassen) ist die Wirkung garantiert. Zugegeben, manchmal gelangt man an zweifelhafte Ware – irgendwelche billigen No-Name-Schokodrops würde ich zum Beispiel nie anrühren –, aber Schokolade hat mich noch nie enttäuscht. Zumindest bis zu diesem Vorfall bei der Arbeit. Ich fürchte, da muss ich etwas ausholen.
    Ich war Journalistin bei einer großen Boulevardzeitung. Eine Menge Leute finden das wahrscheinlich bei weitem schlimmer, als schokoladensüchtig zu sein. Deshalb möchte ich an dieser Stelle betonen, dass ich eine nette Journalistin war, keine dieser Gestalten im Regenmantel, die nach einem Autounfall die Familie des Opfers belagern und mit der Frage belästigen, wie sie sich »wirklich dabei fühlen«, die Leiche identifizieren zu müssen. Nein, ich war eine gemütliche Feuilletonschreiberin. Mein Einsatz erfolgte im Kielwasser der Katastrophe: Ich dachte mir dann einen einfühlsamen tausendzweihundert Wörter langen Artikel darüber aus, weshalb die moderne Gesellschaft uns dazu verleitet, zu weit und zu schnell zu fahren.
    Ich liebte meinen Job. Schreiben war das Einzige, was ichje wirklich gut konnte. Abgesehen von essen natürlich. Während andere Kinder in meiner Klasse ihre Dankeschönbriefe nur unter Androhung drakonischer Strafen verfassten, musste meine Mutter mich nicht einmaldaran erinnern: Am Tag nach meinem Geburtstag wartetebereits morgens auf dem Tisch ein Stapel dreiseitiger Dankeshymnen in Schönschrift für jede Packung Buntstifte, die ich bekommen hatte. Natürlich wäre mir lieber gewesen, es hätte sich bei allen Geschenken um Tafeln von Sie-wissen-schon-was gehandelt. Doch mich mit freundlichen Worten für Dinge zu bedanken, die mir schnurzpiepegal waren, fiel mir leicht. Locker flockige Artikel für die Lifestyle-Seiten der Daily News zu verfassen war so ziemlich dasselbe. Ich lieferte, wassie wollten und wann sie es wollten, wenn nicht sogarschon früher.
    Wie kann ich den Nervenkitzel am besten beschreiben, den die Arbeit für eine Zeitung mit sich bringt? Er hat mit dem Gefühl zu tun, direkt im Zentrum des Geschehens zu sein, genau zu wissen, was passiert ist, noch bevor es sonst irgendjemand erfährt. Außerdem bildet man sich ein, Einfluss auf die Meinung der Leute zu haben – und sei er noch so gering. Schließlich ist man fürs Sichten der hereinströmenden Informationsflut verantwortlich, bevor man sie in leichtverdaulicher Form präsentiert. Um ehrlich zu sein, durfte ich nie selbst irgendetwas entscheiden. Ich schrieb stets brav im Einklang mit der politischen Richtung der Zeitung und den Launen der Chefs – und trotzdem habe ich es geliebt.
    Vielleicht ist es diese pausenlose Betriebsamkeit, die alles so lebendig erscheinen lässt. Bei einer Zeitung sind vierundzwanzig Stunden am Tag Leute damit beschäf tigt,Artikel zu schreiben, Seiten zusammenzustellen, Schriftgrößen abzustimmen, das Layout zu machen, Fotos zu scannen, Artikel auf juristische Fußangeln hin zu untersuchen und die aktuelle Ausgabe zu drucken. Eine Zeitung ist wie ein riesiges Schiff, das durch unberechenbare Meere segelt und sich
    nur durch ständige Kontrolle und Wartung über Wasser halten kann. Jede Zeitung hat so ihre ganz speziellen Lieblingsthemen. Unsere waren Immobilienpreise (sollten höher sein), Asylbewerberzahlen (sollten niedriger sein) und Bildung (sollte besser sein). Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen, wie viele Artikel ich zur heiligen Dreifaltigkeit dieser Themen geschrieben habe. Allerdings muss ich für mich in Anspruch nehmen, dass ich Expertin darin war, sie aus immer neuen, ungewöhnlichen Perspektiven zu beleuchten. Glücklicherweise neigen die Menschen dazu, sich mir anzuvertrauen, und so hatte ich nie Schwierigkeiten, die Art von Geschichten zu spinnen, die unsere Leser liebten. Ich habe mir einfach immer nur vorgestellt, was meine Eltern gerne lesen würden, und es hat jedes Mal funktioniert. Mit einer Tafel seidiger Green & Black's Karamellschokolade vor mir (ist schließlich Bioqualität, also ein gesunder Snack, oder?) flogen die Finger nur so über die Tastatur. Denn wer zur Mannschaft eines solch angesehenen Schiffs wie den

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