Schokoherz
Erinnerung an Pete und Lou erschauerte ich. Ich hatte gedacht, wir hätten glückliche Zeiten zusammen verbracht, aber nun schien mir im Nachhinein alles irgendwie beschmutzt.
»Die Arbeit im Café ist ehrliche Arbeit, was auch immer du davon halten magst. Mir gefällt die Tatsache, dass wir selber herstellen, was wir verkaufen, und dass ich genau weiß, was jede einzelne Praline in jeder Schachtel enthält. Außerdem werde ich immer noch schreiben – ich übernehme nämlich die Pressearbeit für Clara. Wenigstens werde ich mich für etwas einsetzen, an das ich selber glaube.«
Ich schaute Tom an, bevor ich fortfuhr. Es war so wichtig, dass er mich verstand. »Ich liebe den Laden, egal was du denkst, und ich liebe diese Stadt. Das soll nicht heißen, dass wir für immer hierbleiben müssen. Auf keinen Fall. Aber ich will zuerst mein Handwerk lernen, und momentan bedeutet das, dass ich im Laden arbeite. Ich habe endlich aufgehört davonzulaufen.«
Tom sah mich fragend an. »Aber du kannst Journalistin sein, was zum Henker gefällt dir so an diesem Verkäuferinnenjob?«
»Verstehst du denn nicht, Tom? Die Arbeit bei der Zeitung hat mir nie gutgetan. Und auch sonst niemandem.«
»Aber Schokolade tut den Menschen auch nicht gut«, schimpfte er prompt.
»Schäm dich, Tom. Ich hab dir das mit den Antioxidantien so oft erklärt. Und Schokolade mit hohem Kakaoanteil senkt den Blutzuckerspiegel und hilft bei Diabetes –«
»Schon gut, schon gut! Ich geb's auf. Schokolade ist das neue Allheilmittel.« Tom verdrehte lächelnd die Augen. »Ich seh's ja ein. Solange du eine Rückkehr nach England nicht völlig ausschließt.«
»Auf gar keinen Fall. Ich könnte dort schließlich meine eigene Chocolaterie aufmachen. Fulham eignet sich sogar bestens, um eine erste Auslandsfiliale von Chocolat Chaud de Clara zu eröffnen.« Plötzlich sah ich alles ganz genau vor mir ... das Geschäft würde perfekt zwischen all die schicken kleinen Lädchen in unserer alten Gegend passen. Ich stellte mir vor, wie die zusammengewürfelten Chintzsessel und riesigen Pralinenberge im Schaufenster in den superschlanken Müttern auf der Fulham Road ein sehnsüchtiges Verlangen auslösten. Und wie ich mir das so ausmalte, fiel mir wieder ein, was mich an meiner neuen Leidenschaft am meisten begeisterte. Das musste ich einfach mit Tom teilen. »Das Beste an dem Café ist ... dass ich selber Chocolatière werde! Das heißt, ich helfe jetzt schon mit bei der Pralinenherstellung. Aber bald darf ich es alleine versuchen. Sobald Clara mir genug vertraut.« Meiner Meinung nach hatte ich Tom hiermit den Gnadenstoß verpasst. Wenn er mich darin nicht unterstützte, hatten wir möglicherweise keine gemeinsame Zukunft.
Tomdachte ziemlich lange nach. »In Ordnung«, sagte er schließlich und nickte. »Zugegeben, deine Schokodesserts waren schon immer ziemlich gut. Also ergibt das vermutlich Sinn. Wann wird Clara denn so weit sein, dass sie dir vertraut?«, hakte er nach einer kurzen Pause nach.
»Wann? Oh, äh, sobald ich bereit bin zuzugeben, dass ich ein Schokoladenproblem habe«, sagte ich leichthin. »Und welches Problem genau hast du mit Schokolade?« Toms Lächeln spiegelte nachsichtige Zärtlichkeit. »Mein Problem? Jetzt ganz akut?«
»Ja, Bella, komm schon. Beantworte meine Frage.«
»Mein Problem mit Schokolade ist ...« Es folgte eine lange Pause. Ich versuchte es ja, ehrlich. Schließlich war ich so brav gewesen, hatte alles in mein Tagebuch geschrieben und wirklich eine Menge daraus gelernt. Doch nun kam mir die Erleuchtung mit blendender Helligkeit.
»O mein Gott! Mir wird gerade erst klar: Mein Problem mit Schokolade ist, dass ich überhaupt keine mehr ... im Haus habe!« Es stimmte. Der Schrank war leer. Durch die Sache mit Fabrice, das Mittagessen mit Pete und Lou und all die anderen Turbulenzen hatte ich meine Vorräte nicht wie sonst aufgefüllt. Meine Schränke waren so leer wie die Versprechungen eines Sensationsreporters. »Ich düse am besten gleich mit den Kindern zum Supermarkt. Autsch«, jaulte ich, weil Tom mich liebevoll gekniffen hatte.
»Du freches Luder«, murmelte er, die Nase an meinem Hals vergraben.
»Bin ich unmöglich?« Ich sah lächelnd zu ihm auf.
»Nein, ganz im Gegenteil ...«, sagte er und küsste mich wieder.
Alser seine Arme so besitzergreifend um mich schlang, wusste ich, dass ich mein Happy End erreicht hatte. Lieber Leser, ich hatte ihn ja bereits geheiratet. Also musste ich mich stattdessen mit ihm im
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