Schon in der ersten Nacht
Sie konnte unmöglich so tun, als wäre nichts geschehen. Widerwillig gestand sie sich ein, dass sie sich aus irgendwelchen Gründen auf sehr elementarer Ebene zu ihm hingezogen fühlte, was ihr unbegreiflich war. Normalerweise verachtete sie gut aussehende Männer, die ihren Charme ganz gezielt benutzten, um etwas Bestimmtes zu erreichen. Ich werde mich jedenfalls nicht wie ein liebeskranker Teenager aufführen, nahm sie sich fest vor und hob den Kopf. Prompt begegnete sie seinem rätselhaften Blick.
Ihre Hände zitterten, als sie ein Brötchen auseinander brach. "Hope hat erzählt, dass Sie eine Yacht haben."
"Ja. Am Wochenende hole ich sie wieder ab. Dann sind Sie mich los. Das wollten Sie doch wissen, oder?" Er sagte es so, als wäre es nur für ihre Ohren bestimmt.
Lindy versuchte, sich die Verwirrung nicht anmerken zu lassen.
"Du musst dich daran gewöhnen, zum Essen auszugehen, Lindy.
Oder du musst selbst kochen", erklärte Hope mit vollem Mund. Sie wirkte so natürlich mit ihrem Enthusiasmus und hatte nicht die geringsten Hemmungen, dass Lindy sich neben ihr ziemlich steif und ungeschickt vorkam. Sam fiel bestimmt auf, wie verschieden sie und Hope waren. Aber das kann mir doch völlig egal sein, dachte sie und ärgerte sich, weil sie sich seiner Gegenwart viel zu sehr bewusst war.
"Kommen Sie doch mal mit auf die Jennifer, wenn Sie Zeit haben."
Als es in ihren Augen sekundenlang aufleuchtete, fügte er hinzu:
"Hatten Sie gedacht, Jennifer sei eine Frau?" Er lehnte sich zurück. Im Kerzenschein wirkten seine Züge weicher, und seine Augen schimmerten rätselhaft.
"Immerhin haben Sie sie nach einer Frau benannt", Wandte sie ein.
Sie fand es ziemlich beunruhigend, dass er zu spüren schien, was in ihr vorging.
"Nein, so hieß sie schon, als ich sie vor zehn Jahren kaufte. Es ist die längste Beziehung, die ich jemals mit einer Frau hatte", erklärte er lächelnd. "Dass ich den Namen nicht geändert habe, hat mir erspart, sie nach jeder Trennung von einer Partnerin umtaufen zu müssen."
"Du bist gar nicht so dumm, wie du aussiehst", neckte Hope ihn und stand auf, weil das Telefon läutete.
"Wie geht es Ihrer Nase?" fragte Lindy ihn. Es war ihr unangenehm, plötzlich mit ihm allein zu sein, und sie verspürte einen Anflug von Panik.
"Lloyd meint, es sei kein Problem, wenn wir immer nur meine linke Gesichtshälfte zeigen."
"Stimmt das?" Sie betrachtete sein Profil von der rechten Seite. Es kam ihr völlig perfekt vor.
"Das sanfte Kerzenlicht verwischt die Unebenheiten." Er fuhr mit der Hand behutsam über die brennende Kerze mitten auf dem Tisch.
"Spielen Sie lieber nicht mit dem Feuer", warnte Lindy ihn scharf.
Am liebsten hätte sie seine Hand zurückgezogen, aber es war viel zu gefährlich, Sam Rourke zu berühren. Er hatte Gefühle in ihr geweckt, von denen sie geglaubt hatte, sie existierten nicht mehr.
"Dann wäre das Leben zu langweilig." Sein Blick wirkte verführerisch und sexy, und in seinen Augen blitzte es geheimnisvoll auf.
"Langeweile gefällt mir", behauptete sie. Jedenfalls ist ein langweiliger Mann mir lieber als Sam, mit dem das Leben viel zu aufregend und unruhig wäre, fügte sie insgeheim hinzu.
"Schade."
"Ich muss euch allein lassen", verkündete Hope und kam mit einer fertig gepackten Travellertasche über der Schulter wieder herein.
"Wie bitte?" Lindy sah sie verständnislos an.
"Ich erkläre es später. Sam kann dir morgen alles zeigen."
"Kommst du etwa heute Nacht nicht zurück?" Irgendetwas habe ich hier offenbar missverstanden, überlegte Lindy bestürzt.
"Nein. Ich habe es eilig." Hope wich dem Blick ihrer Schwester aus.
Schockiert saß Lindy da und hörte kurz darauf, wie Hope wegfuhr.
Dann atmete sie tief ein und aus.
"Das ist geradezu grotesk", sagte sie eher zu sich selbst. Es passte nicht zu Hope, etwas Unüberlegtes zu tun. Lindy bekam Herzklopfen, als sie daran dachte, dass sie jetzt mit Sam allein war.
"In der einen Woche, seit ich hier bin, war Hope nur zwei Nächte zu Hause", informierte Sam sie zögernd.
"Was soll das heißen?" Ihre Stimme klang gefährlich ruhig.
"Sie kennen sie besser."
"Jedenfalls hat sie keine Affäre." Lindy wollte sich von ihrer Überzeugung nicht abbringen lassen.
"Haben Sie sie gefragt?"
"Ja."
"Okay. Aber sie tut alles, uns allen das Gegenteil zu beweisen."
"Hope würde niemals kopflos hinter einem Mann herfahren. So pathetisch ist sie nicht", stellte sie fest. "Es muss etwas ganz anderes dahinter stecken."
"Liebe
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