Schottische Disteln
dem Dorf, das hin und wieder als Hilfskraft einsprang, half ihr dabei, und Eddi, ihr Mann, musste sich um das Grobe kümmern: Vorplatz fegen, Holz und Torf neben dem Kamin stapeln, Blumenkästen mit Wasser versorgen, Arbeiten für einen Mann eben.
Den Nachmittag hatte sie selbst dann in der Küche verbracht, frisches Brot gebacken, eine Cremesuppe mit Lachsbeilage vorbereitet, die beste Wildpastete ihres Lebens gebacken und verschiedene Getränke kalt gestellt. Man wusste ja nie, was Herrschaften wie ein McGregor zu sich nahmen, und Mabel wollte für alles gerüstet sein. Und während sie Gläser polierte und das Mädchen kleine Tischvasen mit Herbstblumen füllte, dachte sie daran, welch eine Reklame der Besuch des Industriellen für ihr kleines, unbekanntes Gasthaus war.
Als alles gerichtet und der Pastetenduft den eingegerbten Whiskydunst weitgehend vertrieben hatte, zog Mabel sich um, suchte die mit handgearbeiteten Spitzen verzierte Schürze, die sie nur zu besonderen Anlässen trug, aus der Schublade, drehte das weiße Haar noch einmal zu einem neuen Knoten und stellte sich hinter das Gaststubenfenster, von dem sie den besten Blick auf die Straße hatte. Sie wusste nicht, was sie sich mehr wünschen sollte: dass ihr Gast eintraf, bevor die Bauern kamen und mit Pfeifenrauch, Bierdunst und Whisky die Wirtsstube wieder in eine primitive Kneipe verwandelten, oder aber dass die Bauern zuerst kamen und dann sehen würden, was für prominente Gäste sie bewirtete. Vielleicht wurde ein McGregor abgeschreckt von so einem Haufen schwatzender Männer und suchte gleich eine andere Unterkunft für Miss Steinberg, oder aber es gefiel ihm, dass sich so viele Männer bei ihr wohl fühlten und die Kneipe zum Mittelpunkt des Dorfes machten.
Schwierig zu sagen, was richtig ist, dachte Mabel Jackson und sah weiter aus dem Fenster. Noch war es zu früh für die Bauern, die um diese Jahreszeit ihre abgeernteten Felder winterfest machten und das Vieh allmählich von den höheren Hängen auf die Hausweiden trieben. Um diese Jahreszeit kamen sie eigentlich erst bei Einbruch der Dunkelheit, und bis dahin war noch etwas Zeit.
Am liebsten hätte Mabel Jackson beide Fremdenzimmer für Miss Steinberg reserviert, dann hätte sie das Bad für sich allein gehabt und sich bequem in der oberen Etage ausbreiten können. Dummerweise aber hatte das nicht geklappt, denn kurz vor dem Anruf von Miss Steinberg gestern kam ein anderes Gespräch, in dem eine Landschaftsmalerin ein behagliches Zimmer für die nächsten Wochen suchte. Sie wollte das küstennahe Herbstlicht einfangen, wie sie sagte, und mehrere Wochen bleiben. Da Mabel noch nichts von dem zweiten Anruf wusste, hatte sie begeistert zugesagt, denn vier Wochen Zimmermiete und eventuelle Einnahmen durch Vollpension konnte sie sehr gut gebrauchen. Den ganzen Herbst über hatten die Zimmer leer gestanden, und nun, kurz vor dem Winter, war das ein gern gesehener Zuschuss für die touristenarmen Monate.
Von irgendwoher kam Motorengeräusch. Mabel konnte nicht erkennen, ob ein Wagen aus Richtung Inverness oder aus Nairn kam.
Die Straße wurde von Steinwällen und hohen Hecken begrenzt und war kaum einzusehen. Dann kam der Wagen näher, und Mabel sah, dass es ein unbekannter Geländewagen war, der aus Inverness kam. Vor dem Haus bog der Wagen von der Straße ab und rollte auf dem Vorplatz aus. Mabel ging nach draußen und empfing eine junge, gut aussehende Frau, die sich bemühte, ihre Malutensilien und die zusammengeklappte Staffelei vom Rücksitz zu nehmen, während Eddi bereits das Gepäck aus dem Kofferraum holte.
»Herzlich willkommen, ich bin die Wirtin, Mabel Jackson, ich hoffe, Sie hatten eine gute Reise und haben uns gleich gefunden.«
»Danke, alles hat wunderbar geklappt, und schwer zu finden ist das Haus auch nicht.« Sie folgten dem Wirt ins Haus, und während er schon die Koffer nach oben brachte, bat Mabel ihren Gast, das Anmeldeformular auszufüllen.
»Haben Sie noch andere Gäste?«
»Nur eine Dame, die ich auch jeden Augenblick erwarte. Wir haben nur zwei Fremdenzimmer, Sie werden es ruhig und gemütlich bei uns haben. Abends ist die Wirtsstube natürlich voll, aber davon hört man oben nichts.«
»Das ist sehr angenehm. Dürfte ich mir das Zimmer ansehen, bevor ich die Anmeldung ausfülle?«
»Selbstverständlich. Bitte, hier geht es hinauf.«
Mabel ging vor und zeigte ihrem Gast das Zimmer, das Bad, das die Gäste sich teilen mussten, erklärte, wie der
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