Schottische Disteln
übernahm Aber die hatte anscheinend keine Zeit. Sie half beim Gepäck, begleitete die junge Frau nach oben und verschwand in deren Zimmer, während die drei Männer draußen bei den Wagen stehen blieben. Seltsame Gäste, war die einhellige Meinung der Kneipenbesucher, und als man genug geschaut hatte, wandte man sich wieder seinen Karten, den Würfeln, den Gesprächen und den Gläsern zu.
Dann kam Mabel mit der jungen Frau wieder herunter.
Sie gingen nach draußen, und Andrea erklärte: »Mrs Jackson hat ein Abendessen für uns gerichtet. Bitte kommt doch herein.«
Ryan nickte. »Gern, wenn es nicht zu lange dauert, wir wollen heute noch zurück nach Aberdeen.«
Andrea sah ihn erstaunt an. »Ich dachte, du übernachtest im Cottage, und wir können uns morgen noch einmal treffen.«
»Ich habe keine Schlafgelegenheit für meine Männer, ich will nicht, dass sie auf der Erde liegen. Es ist besser, wir fahren zurück.«
»Das verstehe ich. Schade ist es trotzdem.«
»Wir beide machen nachher noch einen kurzen Spaziergang.«
»Du meinst, um die Ecke herum.«
»Genauso ist es.« Vergnügt griff er nach ihrem Arm und führte sie ins Haus.
Mabel Jackson hatte zwei etwas abseits stehende Tische für ihre Gäste reserviert.
Andrea sah sich um. »Für wen ist denn der zweite Tisch?«
»Ich habe noch einen Gast, eine Malerin, die auch heute angekommen ist. Sie wollte sich nur frisch machen und dann herunterkommen. Aber anscheinend hat sie sich etwas hingelegt und ist eingeschlafen.«
»Dann wollen wir sie nicht stören«, erklärte Ryan und setzte sich zu Andrea, während sich seine Männer, von den neugierigen Blicken der Bauern verfolgt, einen anderen Tisch suchten.
Und dann machte eine Vermutung die Runde durch die Kneipe: »Wenn ihr mich fragt, dann ist das der Laird von Terefords.«
»Unsinn, den gibt‘s schon lange nicht mehr.«
»Nein, öffentlich nicht, aber ich kenne Bauern, die gehören zu seinem Clan.«
»Und wo soll das sein?«
»Ostwärts die Küste herauf.«
Und wieder einmal schaffte Eddi es kaum, die Krüge neu zu füllen, die Gläser auszutauschen und die Stimmung gedämpft zu halten.
Mabel war natürlich in der Küche. Immer wenn man sie braucht, ist sie nicht da, stöhnte Eddi heimlich und beschwichtigte zwei Burschen, die einen Streit über die Bedeutung eines Clan-Chiefs anfangen wollten.
Andrea und Ryan kümmerten sich wenig um die Bauern. Ryan kannte diese Atmosphäre aus dem Pub in Dyke, und Andrea wusste, dass diese Männer bei aller Lautstärke nette Burschen waren. Beunruhigt schienen nur die Bodyguards zu sein, die nervös auf ihren Stühlen hin und her rutschten, erschrocken den Wortgefechten lauschten und sich am liebsten hinter Ryan aufgestellt hätten.
Das Essen war vorzüglich, und Ryan lobte die Wirtin, die mit hochrotem Kopf beglückt in ihre Küche flüchtete. Es war bereits dunkel, als sie die Mahlzeit beendet hatten. Rauchschwaden und Bierdunst waberten unter der niedrigen Balkendecke, und jeder Stuhl war inzwischen besetzt. Man lamentierte, diskutierte, schrie sich an, lachte und klopfte sich auf die Schultern.
Ryan stand auf. »Höchste Zeit abzufahren.« Er sah sich um. »Und du meinst, ich kann dich hier allein lassen?«
»Natürlich. In einer Stunde sind sie alle wieder weg, und dann ist das der ruhigste Ort, den man sich denken kann.«
»Hoffentlich, es war deine Entscheidung, hierher zu kommen.«
»Ja, Ryan, und du kannst unbesorgt sein. Ich bin hier bestens aufgehoben.«
»Ich mache mir keine Sorgen um deine Sicherheit, die Männer hier oben sind in Ordnung, die kenne ich, ich mache mir Sorgen um deine Erholung, du könntest andere Zimmer in anderen Häusern und eine erstklassige Betreuung haben, das weißt du.«
»Ich weiß«, sie nahm seine Hand, »komm, lass uns nach draußen gehen, du hast mir einen Spaziergang um eine Ecke herum versprochen.«
»Das stimmt.«
Eine schon herbstlich kühle Nachtluft empfing sie, als sie am Haus entlangschlenderten. Die Bodyguards hielten sich diskret zurück und blieben bei den Fahrzeugen stehen. Ryan legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie behutsam näher.
»Andrea, ich möchte, dass du weißt, dass ich dich liebe.«
»Ich weiß es, Ryan, so etwas fühlt eine Frau.«
»Gibst du uns eine Chance?«
»Ja, aber bitte lass uns Zeit.« Andrea dachte an ihr Aussehen: Konnte ein Mann sich damit abfinden, einen zerstückelten Rücken in den Armen zu halten? Sie dachte auch an die gravierenden Unterschiede ihrer
Weitere Kostenlose Bücher