Schottische Engel: Roman (German Edition)
erschöpft. Die anstrengende Autofahrt bei dem schlechten Wetter, die Verhandlungen mit den beiden Regisseuren in Galashiels, die mit diversen Meinungsverschiedenheiten endeten, und dann zum Abschluss dieser Unfall – es reichte ihm für heute.
Langsam schlenderte er durch den eleganten Wohnraum mit den Teppichen und Vorhängen im Schottenmuster des McClay-Clans und sah aus dem Fenster. Draußen lärmte noch immer das Gewitter. ›Wenn es sich hier zwischen den Bergen einnistet, dauert es lange, bis es sich ausgetobt hat und weiterzieht‹, überlegte er. ›Das wird eine unruhige Nacht.‹ Er schenkte sich einen Whisky ein. Lächelnd erinnerte er sich an seine letzte Fahrt über den Whisky Trail, an die interessanten Diskussionen mit den Anbietern und an die Käufe, die er, wenn er schon einmal in der Gegend war, eigenhändig und in nicht gerade kleinem Umfang getätigt hatte.
Er nahm einen letzten Schluck, dann erst ging er ins Badezimmer, entledigte sich der nassen Kleidung, nahm ein Bad und zog die trockenen Sachen an, die der Butler im Schlafzimmer bereitgelegt hatte.
Der Lord hatte nach dem Tod seines Vaters, als er das Schloss und den Titel übernehmen musste, das Haus modernisiert. Während die Eltern sich ein Leben lang gesträubt hatten, irgendetwas in dem alten Gebäude zu verändern, hatte er einen kompetenten Innenarchitekten aus Edinburgh mit dem Umbau beauftragt. Neue Strom- und Wasserleitungen und eine moderne Heizungsanlage wurden neben den gemütlichen Kaminen eingebaut, ohne den traditionellen Stil und das gemütliche Ambiente des Schlosses zu beeinträchtigen. Später kamen der Lift, eine neue Küche mit einem Aufzug ins Esszimmer, damit die Speisen heiß serviert werden konnten, sowie neue Fenster und Türen hinzu.
McClay liebte das alte Haus, aber er liebte auch die fortschrittliche Lebensart, die so vieles erleichterte. Im Kamin brannte ein Feuer, und der Duft von Kiefernholz und Wacholderzweigen durchzog die Suite.
›Endlich Ruhe‹, dachte er, goss sich einen zweiten Whisky ein und ließ die letzten Tage noch einmal Revue passieren.
Glasgow, was war Glasgow diesmal gewesen? Ein Umsteigeplatz vom Flugzeug in den Wagen, ein Telefongespräch mit den Geschäftsführern und ein Kurzbesuch bei Joan. Wie immer eine fruchtlose Diskussion mit der Mutter seiner Tochter und die vergebliche Bitte, das Kind häufiger und länger sehen zu dürfen. Dann endlich ein Augenblick mit Tatjana – mein Gott, das Kind war schon fünf Jahre alt –, sie hatte ihn diesmal nicht erkannt und nur widerstrebend Daddy zu ihm gesagt.
Joan wurde zu einem Problem! Die elegante, rassige Schottin mit den roten Haaren und den unzähligen Sommersprossen, eine Schönheit damals, als er sie kennenlernte, wurde von Jahr zu Jahr eigensinniger, arroganter und anspruchsvoller. ›Habgierig wäre der richtige Ausdruck‹, dachte er und erinnerte sich an die immer maßloser werdenden Wünsche seiner einstigen Geliebten, die geheiratet werden wollte und ihm, einer Erpressung gleich, schließlich die Schwangerschaft und dann Tatjana präsentiert hatte.
›Aber ein McClay lässt sich nicht erpressen‹, dachte er. ›Ich habe sie schnell durchschaut: Eine Dame der besten Gesellschaft wollte sie werden, Weltreisen mit mir machen, in meinem Ruhm schwelgen und von meinem Ansehen profitieren‹, erinnerte er sich. ›Sie nutzte meine Sehnsucht nach innerer Geborgenheit schamlos aus, und als sie merkte, dass ihre Wünsche nicht akzeptiert wurden, als ich ihr klarmachte, dass eine Heirat mit ihr nicht infrage käme, begann sie Forderungen zu stellen, in denen ihre Gier nach Reichtum und Ansehen nur zu deutlich wurde. Und dann kam Tatjana, dieses zauberhafte Kind, dieser Sonnenschein, in den ich sofort verliebt war.‹
Dennoch hatte er auf Anraten seiner Anwälte einen Vaterschaftstest machen lassen, und als dieser positiv ausgefallen war, hatte er sich zu seinem Kind bekannt und hätte dem Drängen um eine Heirat beinahe noch nachgegeben.
Aber zum Glück war er standhaft geblieben. Die Liebe zu Joan war verraucht, was geblieben war, waren das kleine Mädchen und seine Sehnsucht, das Kind im Arm zu halten. Aber genau das verwehrte ihm die Frau. Er musste unendlich viele Wünsche erfüllen, wollte er das Kind sehen. Ein eigener Modesalon in Glasgow musste es sein, ein Bungalow am Stadtrand, ein elegantes Auto und die teuerste Garderobe wurden angeschafft. An den wertvollen Schmuck, der mit jedem Besuch verbunden war, durfte er gar
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