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Schrei Aus Der Ferne

Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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beginnen.
    Bei Einladungen zum Abendessen stellten Catriona und Lyle ihr Männer vor, die sie offensichtlich als geeignet ansahen und die aus dem einen oder anderen Grund ledig waren: ein Witwer, der seine Frau vor Kurzem an den Krebs verloren hatte, ein Wissenschaftler aus Cambridge, der nie geheiratet hatte und sich für die Geschichte der christlichen Liturgie interessierte, ein Musiker, der Volksmusik machte und sich besonders der Blechflöte angenommen hatte.
    Und plötzlich war da Andrew. Andrew Lawson.
    Er war Rektor einer örtlichen Grundschule, wirkte robust und verlässlich. An diesem ersten Abend zeichnete er sich durch außerordentliche Zurückhaltung aus, wurde nur ein einziges Mal richtig lebhaft, nämlich als er eine neue Förderstrategie beschrieb, bei der Fünft- und Sechstklässler den jüngeren Schülern aus der ersten und zweiten Klasse vorlasen.
    »Ruth war früher Lehrerin«, hatte Catriona gesagt, um die Sache in Schwung zu bringen.
    »Das ist lange her«, sagte Ruth.
    Aber Andrews Interesse war geweckt. »Hier in Ely?«, fragte er.
    »Nein. In London.«
    »Oberschule?«
    »Grundschule.«
    »Trotzdem ein hartes Pflaster. Die meisten Kinder von hier fressen Ihnen aus der Hand, besonders wenn sie aus den Dörfern kommen.«
    »Der Grund ist«, tönte Lyle, »dass sie nie gelernt haben, mit Messer und Gabel zu essen.«
    Alle lachten und die Unterhaltung wandte sich anderen Themen zu.
    Ruth war überrascht, als Andrew sie vier Tage später zu Hause anrief. »Catriona hat mir Ihre Nummer gegeben. Ich hoffe, das macht Ihnen nichts aus.«
    Zu ihrer großen Überraschung stellte sie fest, dass ihr das überhaupt nichts ausmachte.
    Natürlich war er verheiratet gewesen. Die Ehe hatte zehn Jahre gehalten, fast so lange wie ihre eigene, war aber kinderlos geblieben.
    Nicht lange, nachdem sie Simon geheiratet hatte, war Ruth mit Heather schwanger gewesen. Sie hatten eigentlich gar nicht darüber nachgedacht, es war einfach passiert. Damals war sie sechsundzwanzig.
    Es war keine leichte Geburt gewesen und im Anschluss litt Ruth heftig unter einer postnatalen Depression. Eine Zeitlang hatte sie Heather regelrecht abgelehnt   – ihre Schuldgefühle deswegen hatten nie aufgehört   –, und wenn Simon nicht gewesen wäre, hätte alles in sich zusammenbrechen können.
    Erst als Heather ein Kleinkind war, hatten sie und Rutheine wirkliche Bindung entwickelt, obwohl Simon immer sehr wichtig für das Kind geblieben war und ihm möglicherweise näherstand, als das bei anderen Vätern üblich war.
    Sie sprachen von einem zweiten Kind, aber Ruth hatte zu viel Angst und Simon war vorsichtig. »Wir sind jetzt glücklich, stimmt doch?«, sagte er. »Warum etwas ändern? Was, Ruthie? Warum ein Risiko eingehen?«
    »Ich beneide dich«, sagte Andrew. Das war eine ganze Weile, nachdem sie sich kennengelernt hatten, als sie begannen, an eine Heirat zu denken. »Ich sollte es nicht sagen, sollte es nicht einmal denken, ich habe kein Recht dazu. Aber es ist so. Du und Simon. Was ihr mit Heather hattet.«
    »Trotz allem, was dann passiert ist?«, fragte Ruth.
    Andrew sah sie an und entdeckte den Kummer in ihren Augen. Er konnte nicht darauf hoffen, ihn jemals auszulöschen. »Ja. Trotz allem, was dann passiert ist.«
    Nicht sehr lange nach der Hochzeit   – Catriona trat triumphierend in einem pinkfarbenen Kostüm mit Orchideen im Haar auf, Lyle nahm mit rötlichem Gesicht recht unverhohlene Schlucke aus einem silbernen Flachmann   – meinte Andrew, dass sie auch ein Kind haben sollten.
    »Andrew, nein! Nein, das ist absurd. Es ist einfach nicht   … Außerdem bin ich zu alt.«
    »Nicht unbedingt.«
    »Doch. Das weißt du.«
    »Das werden wir feststellen.«
    Beatrice wurde fast genau ein Jahr nach ihrer Hochzeit geboren, und obwohl Ruth inzwischen neununddreißig war, gab es keine Komplikationen und die Geburt war relativ leicht.
    Als Simon es hörte   – sie musste es ihm sagen, sie hatte darüber nachgedacht, es mit Andrew durchgesprochen und war zu dem Schluss gekommen, dass es nicht anders ging   –,reagierte er großmütig: Er schickte eine Glückwunschkarte, eine Flasche Moët und diverse Babysachen wie gestrickte Schuhe und dergleichen aus dem Baby Gap in der Nähe seines Büros.
    Ruth, die sich unbehaglich und merkwürdig verpflichtet fühlte, schickte ihm einen überschwänglichen Dankesbrief und Bilder von dem Baby, aber darauf antwortete Simon nicht.
    Fünf Monate später erhielt sie einen Brief. Kurz und

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