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Schrei Aus Der Ferne

Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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draußen auf dem Feld.«
    »Was für ein Jemand?«
    »Ein Mann.«
    »Was hat er da gemacht?«
    »Nichts. Nur dagestanden.« Sie berührte seinen Ellenbogen. »Ich glaube, es könnte Mitchell Roberts gewesen sein.«
    Will war plötzlich hellwach.
    »Roberts? Weißt du das genau? Bist du sicher?«
    »Nein, natürlich nicht. Dann hätte ich es dir vorher erzählt.«
    »Warum zum Teufel hast du mich nicht gleich angerufen?«
    »Hab ich doch gerade gesagt. Weil ich mir nicht sicher war. Und er hat ja auch überhaupt nichts gemacht. Er hat nur   … gestarrt. Ich habe mich kurz umgedreht, und dann war er weg.«
    »Mitten auf einem Feld kann er doch nicht einfach so verschwunden sein.«
    »Aber so war es.«
    »Und den ganzen Abend hast du es nicht für nötig gehalten, etwas zu sagen!«
    »Es bringt doch nichts, wenn du wütend wirst.«
    »Ach nein?« Er rannte nach unten und kam mit einer Zeitung zurück. Ein Foto von Roberts war auf der Titelseite.
    »Ist er das? Der Mann, den du gesehen hast?«
    Lorraine betrachtete das Foto und seufzte. »Ich weiß es nicht.«
    »Denk nach!«
    »Mein Gott, Will, das tue ich doch. Aber es wurde schon dunkel, und ich konnte ihn nicht genau sehen. Er   … er könnte es gewesen sein, ja, aber es tut mir leid, mit Sicherheit kann ich es nicht sagen.«
    Will legte die Zeitung beiseite, schaltete das Licht aus und griff nach ihrer Hand. Eine Weile schwiegen beide.
    »Wenn er es war«, sagte Lorraine und starrte nach oben in die Dunkelheit, »was bedeutet das?«
    »Es bedeutet, dass er weiß, wo wir wohnen. Wahrscheinlich auch, in welche Schule Jake geht. Wann du zu Hause bist und wann nicht.«
    Lorraine schauderte und drückte seine Hand. »Was will er von uns?«
    »Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich will er uns erschrecken. Dich erschrecken. Sich an mir rächen.«
    »Er würde uns aber nichts tun, oder? Den Kindern?«
    »Eventuell doch.«
    Will drehte sich um und legte seinen Arm fest um sie, sie drückte ihr Gesicht an seine Brust.

65
     
    Ausgeschlossen, dass Lorraine nicht zur Arbeit ging. »Will, nein, hör zu, ich habe diesen Monat schon drei freie Tage genommen, einen davon gestern, um mit Jake zum Zahnarzt zu gehen   …«
    »Das war ein halber Tag.«
    »…   und zwei, als Susie krank war. Ich kann es mir einfach nicht leisten, noch mehr zu nehmen. Wir haben viel zu tun.«
    »Das behauptest du immer.«
    »Aber es stimmt. Es gibt immer noch ausländische Studenten, deren Stipendien nicht unter Dach und Fach sind, und inzwischen trudeln die Bewerbungen für das nächste Jahr ein. Wenn ich da den Überblick verliere, kündigen sie mir.«
    »Auch gut, sollen sie doch.«
    »Nein. Nicht deswegen. Nicht, weil irgendjemand auf einem Feld rumsteht.«
    »Irgendjemand?«
    »Ja. Ich weiß nicht, wer es war und was er dort getan hat.«
    »Letzte Nacht hast du es noch gewusst. Du hast gesagt, es war Roberts.«
    »Ich habe gesagt, er könnte es gewesen sein.«
    »Und jetzt?«
    »Ich bin mir einfach nicht sicher.«
    »Mein Gott!« Will ließ seine Faust auf den Frühstückstisch donnern und eine Schale fiel auf den Boden und zerbrach.
    Sofort begann Jake zu weinen, und Sekunden später zog Susie nach.
    »Ich verstehe gar nicht, warum du so wütend bist«, sagte Lorraine und bückte sich, um die Scherben aufzusammeln.
    »Dann bist du dümmer, als ich gedacht habe.«
    »Danke. Herzlichen Dank«. Das zerbrochene Porzellan landete scheppernd im Mülleimer.
    »Du weißt, was dieser Mann getan hat? Roberts? Wozu er fähig ist?«
    »Ja. Ja, ich denke schon.«
    »Und du bist bereit, das Risiko einzugehen?«
    Lorraine zählte bis zehn. »Ich spreche mit der Schule und dem Kindergarten. Stelle sicher, dass beide Kinder nicht nach draußen gelassen und ordentlich beaufsichtigt werden. Wenn sie das nicht tun wollen, nehme ich sie mit zur Arbeit. Irgendwie schaffen wir das. In Ordnung?«
    »Na dann!« Will schob sich an ihr vorbei und riss die Küchentür auf. »Aber du trägst die Verantwortung!«
    »Wenn du dir solche Sorgen machst«, fuhr Lorraine ihn an, »erledige doch einfach deine Arbeit. Warum schnappst du diesen Roberts nicht, wenn er es war und er so verdammt gefährlich ist?«
    Als sie Wills Gesichtsausdruck sah, glaubte sie, er würde sie schlagen, und zuckte zusammen. Susies Weinen wurde zu einem atemlosen Schluchzen. Jake versteckte das Gesicht in den Händen. Die Tür wurde so fest zugeknallt, dass der Rahmen einen Riss bekam. Lorraine blieb zitternd zurück; die Angst der Kinder klang in

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