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Schrei Aus Der Ferne

Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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aneinandergedrängt in einer Umarmung da.
    »Einer der Polizisten von hier hat einen Zeugen gefunden, der draußen vorm Dorf ein bisschen geangelt hat. Der glaubt, einen Mann gesehen zu haben, auf den Roberts’ Beschreibung passt. Dieser Mann ist vor ihm über das Feld gelaufen, hat den Bach weiter unten auf der Brücke überquert und ist dann nach Norden auf einen Bauernhof zugelaufen. Whiteside Farm oder so?«
    »Whiteside ist richtig. Ich kenne den Hof.«
    »Offenbar gibt es einen Weg, der von dort aus zur Hauptstraße führt.«
    Will nickte. Die A1101.
    »Dieser Angler meint gehört zu haben, wie ein Motor angelassen wurde. Ist ziemlich schwer gelaufen, sagt er, ungefähr so wie ein alter Transporter.«
    »Wahrscheinlich gibt es dort keine Überwachungskameras.«
    »Hängt davon ab, wohin er gefahren ist und wie weit. Nach Süden in Richtung Mildenhall, am Flugplatz vorbei, da ist die Chance groß, würde ich sagen. Aber in der anderen Richtung   …«
    Straley schüttelte den Kopf.
    Die andere Richtung, dachte Will. Durch Littleport und das nördliche Schwemmland nach Wisbech.
    Kam am Ende doch noch alles zusammen?
    Teilweise jedenfalls.
    »Kommt«, sagte er und steckte seinen Kopf durch die Tür der Schulleiterin. »Wir gehen nach Hause.«

66
     
    Der Lageplan der Wohnungen war mit Graffiti übersät und kaum noch zu entziffern. Auf den Laubengängen, die mit Kinderwagen, Buggys und nicht abgeholtem Müll vollgestellt waren, knurrten Hunde und fletschten die Zähne. Kinder schrien und Frauen kreischten.
    Die Frau, die Helen schließlich nach dem Weg fragen konnte, steckte von Kopf bis Fuß in einem schwarzen Hidschab, und nur ihr Gesicht und ihre Hände sahen hervor. Ihre Stimme war so leise, dass Helen sie kaum verstand, aber die Angaben waren sehr präzise. Kellys Wohnung war im siebten Stock und man erreichte sie   – falls er funktionierte   – mit dem Fahrstuhl. Der roch durchdringend nach Urin mit einem süßen Anflug von Marihuana. Man sollte den Duft in Flaschen füllen, dachte Helen. Eau de Despair.
    Im Gegensatz dazu war Kelly fröhlich, aufgekratzt, schön herausgeputzt und geschminkt, ihr Haar war millimeterkurz geschnitten, dunkel mit einer Spur Pink.
    »Sie haben sich verlaufen, was? Ich hab ewig gebraucht und manchmal passiert es mir immer noch. Dann lande ich da, wo ich losgegangen bin. Kommen Sie, kommen Sie rein.«
    Die winzige Diele beherbergte einen Doppelbuggy, unzählige Stiefel und Schuhe, eine Auswahl von Schachteln und Spielzeug im Überfluss. Noch mehr Spielzeug im Wohnzimmer, aber was nicht benutzt wurde, war ordentlich gestapelt; Blumen auf dem Tisch, schon ein bisschen verwelkt, aber immerhin Blumen. An der Wand ein Großbildfernseher, schräg nach unten ausgerichtet. Ohne zu beachten, was umihn herum geschah, saß ein Junge von zwei bis drei Jahren auf dem Teppich, baute sorgfältig einen Turm aus bunten Bauklötzen und schrie jedes Mal vor Wonne, wenn er zusammenfiel.
    »Ich mach uns gleich eine Tasse Tee. Everett geht mit den Kleinen spazieren, das machst du doch, Everett? Damit wir ’n bisschen Ruhe haben.«
    Der Mann, der im Türrahmen auftauchte, war groß und schwarz und hielt ein Baby von neun oder zehn Monaten im Arm.
    Als er Helen sah, lächelte er. »Polizei, richtig?«
    »Richtig.«
    »Aber nicht etwa von hier?«
    »Nicht von hier.«
    Sein Lächeln wurde breiter. »Dann is’ ja gut.«
    Er schob das Kind von einem Arm auf den anderen, als wäre es eine Puppe, beugte sich zu Kelly, küsste sie auf den Nacken und strich mit der Hand über ihr Stoppelhaar. »Bis später, Baby.«
    Kelly drückte seine Armmuskeln, küsste das Baby auf den Kopf, hob ihren Sohn auf und küsste auch ihn, vergewisserte sich, dass Helen es bequem hatte, und ging in die Küche, um Tee zu machen.
    Jede Menge Küsse, dachte Helen und versuchte, nicht auf ihr Spiegelbild in dem leeren Fernsehapparat zu blicken.
    Gleich darauf kehrte Kelly mit Tee in Bechern und Kuchen in Scheiben zurück.
    »Reduziert. Das Haltbarkeitsdatum is’ abgelaufen, is’ aber egal. Gibt nix im Leben ohne Risiko, was?«
    Nach einem Schluck Tee griff Kelly nach ihren Zigaretten und bot Helen eine an, ehe sie sich selbst eine anzündete.
    »Das kann ich nicht machen, wenn Everett hier is’. Der rastet aus.« Sie kicherte fast. »Kein schöner Anblick.«
    »Sind Sie schon lange zusammen?«
    »Seit ich mit Tracey schwanger war.« Sie zog kräftig an ihrer Zigarette und behielt den Rauch in den Lungen. »Hätte nie

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