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Schrei Aus Der Ferne

Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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kann verstehen, warum der Untersuchungsrichter sich nicht eindeutig festlegen wollte. Aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass es Mord war. Ich habe den Kerl kennengelernt, der damals ihr Hauptverdächtiger war   – ein echter Spinner, aber hat er das Mädchen umgebracht? Nein, das bezweifle ich. Sonst gibt es nicht viele potenzielle Verdächtige, schon gar keine, die plausibel sind. Wenn man ausschließt, dass sich zur selben Zeit ein Perverser im Nebel verlaufen hat, heißt das, dass es vermutlich tatsächlich ein Unfall war. Sie ist ausgerutscht und gefallen. Das passiert.«
    Sie fing einen herabhängenden Käsefaden ein und wickelte ihn um ihren kleinen Finger. Will, der bessere Manieren hatte oder vielleicht nur weniger hungrig war, benutzte Messer und Gabel, um einen mundgerechten Bissen abzuschneiden.
    »Und du hast keine Parallelen zu dem Geschehen hier bei uns gefunden?«
    »Abgesehen von der armen Mutter? Nein.«
    »Dann war das Unternehmen also zwecklos?«
    Helen zog eine Augenbraue in die Höhe. »Das würde ich nicht sagen.«
    »Und das heißt?«
    »Ach, weißt du   …« Ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. »Es ist immer interessant, Kollegen von auswärts kennenzulernen und zu sehen, wie sie arbeiten. Kann nicht schaden, mal einen Blick über den Tellerrand zu werfen, falls etwas aus dieser Beförderung wird. Und was dort passiert ist   – passiert sein könnte   –, ist nicht uninteressant. Wenn dueinverstanden bist, möchte ich morgen noch einmal nach London fahren. Es geht um die Familie, mit der das tote Mädchen in Cornwall war. Ich möchte mit der Tochter sprechen. Vielleicht auch mit dem Sohn.«
    »Glaubst du, das lohnt sich?«
    »Ich weiß es nicht. Möglicherweise nicht. Aber wenn du mich hier nicht brauchst   … Und ich habe Cordon mehr oder weniger versprochen, es zu tun.«
    »Du bist ihm verpflichtet, ist es das?«
    Helen streckte ihm die Zunge raus. »Es geht lediglich um ein paar i-Tüpfelchen. Und danach bleibt uns nur noch, auf die Ergebnisse der DN A-Analyse zu warten.« Sie probierte ihren Kaffee und nahm mehr Zucker. »Aber nun zu dir. Du hast mir doch erzählt, dass Pierce seinen Wagen in genau der Werkstatt reparieren lässt, in der Mitchell Roberts gearbeitet hat   – als du das gehört hast, musst du dir doch vor Freude fast in die Hose gemacht haben.«
    Ein ironisches Lächeln überzog Wills Gesicht. »Da hast du recht. Obwohl es gleich zu schön erschien, um wahr zu sein. Und so war es dann auch. Roberts war gar nicht mehr da, als Pierces Wagen zur Reparatur kam.« Er schüttelte den Kopf. »Einer dieser Zufälle, die das Blut in Wallung bringen, aber dann stellt sich raus, dass nichts dran war.«
     
    Als Will schließlich nach Hause kam, war Jake bereits schmollend in sein Zimmer gegangen, weil Lorraine ihm keine zweite Portion Eis zum Nachtisch erlaubt hatte.
    »Ich glaube, beim Zahnarzt hat es dir keinen Spaß gemacht?«, hatte sie gesagt.
    »Nein. Es hat scheußlich wehgetan. Und er war gemein.«
    »Das stimmt nicht, Jake. Er war sehr vorsichtig. Aber wenn du nicht so bald wieder hingehen möchtest, musst du tun, was er sagt, und mit den Süßigkeiten aufhören. Dudarfst nicht so viele Sachen essen, die Zucker enthalten. Und dazu gehört Eis.«
    Wenn Blicke töten könnten, wäre Lorraine auf der Stelle tot umgefallen.
    Daraufhin hatte sich Susie offenbar die vorherrschende Stimmung zu eigen gemacht, angefangen zu quengeln und allen Versuchen ihrer Mutter widerstanden, sie aufzuheitern.
    Fehlte nur noch, dass Will mit einem Gesicht wie aus Stein nach Hause kam, was er natürlich prompt tat.
    »Das ist die Krönung!«, rief Lorraine aus, als sie ihn sah.
    »Was? Was hab ich denn gemacht?«
    »Nichts«, sagte sie und zwang sich zu einem Lächeln. »Setz dich und ich hole dir etwas zu trinken. Das Essen ist in etwa zwanzig Minuten fertig.«
    Der Abend verlief einigermaßen unauffällig: Essen, den Kindern Gute Nacht sagen, ein zweites Glas Wein, das übliche stupide Fernsehen. Im Badezimmer küsste Lorraine Will im Vorübergehen auf die Schulter, und nachdem sie im Bett genug gelesen hatte, machte sie einen Vorstoß und legte einen Arm über seine Taille, aber Will war müde und nicht in Stimmung und tat so, als hätte er nichts gemerkt.
    Eine halbe Stunde später drehte Lorraine sich heftig herum und sprach ihn im Dunkeln an. »Will, schläfst du schon?«
    »Ich habe geschlafen.«
    »Heute Nachmittag, als ich mit den Kindern zurückkam, war jemand da

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