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Schrei Aus Der Ferne

Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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was denen passiert ist. Fremde haben sie mitgenommen, um sie zu töten.«
    »Sie Scheißkerl!«
    Lorraine warf sich auf ihn und zielte mit einer Hand auf sein Gesicht, aber er stieß ihren Arm zur Seite und schob sie weg, schubste sie so heftig, dass sie das Gleichgewicht verlor und an die Tischkante stieß. Sie prallte ab und fiel beinahe hin.
    »Das mag ich« sagte Roberts. »Wenn Frauen Mumm haben.«
    Als er den Kopf beim Lachen zurückwarf, umklammerte Lorraine den Hals der Weinflasche, ging auf ihn zu, holte kräftig und schnell mit der Flasche aus und schmetterte sie ihm direkt über dem Auge ins Gesicht.
    Halb blind taumelte er mit einem Schrei zurück und fasste sich ins Gesicht, und sie riss die Schublade neben der Spüle auf und griff nach dem ersten Gegenstand, der ihr in die Finger kam: ein Messer mit langer gezackter Klinge.
    Roberts fluchte und schäumte, als Blut über sein Gesicht lief. Lorraine duckte sich vor dem Arm, mit dem er heftig um sich schlug, ging wieder auf ihn los, rammte die Klinge so tief in seinen schwammigen Bauch, wie sie konnte, und rannte los.
    Sie nahm zwei oder drei Stufen der Treppe auf einmal und stürzte atemlos ins Kinderzimmer, wo ihre Kinder fest und ungestört schliefen, Jake mit dem Daumen im Mundwinkel, Susie mit einem kleinen braunen Teddy im Arm.
    Ihre Augen verschwammen mit Tränen und sie musste sich an der Tür festhalten, um nicht zu fallen; ihre Beine drohten unter ihr einzuknicken und ihr rauer Atem schüttelte ihren ganzen Körper.
    Ein Brüllen voller Schmerz und Wut warnte sie und sie rannte gerade rechtzeitig zum Kopf der Treppe zurück, um Roberts, dessen Gesicht unter dem Blut kaum zu erkennen war, auf sich zutaumeln zu sehen; rechtzeitig genug, um sichmit einer Hand am Pfosten des Treppengeländers und der anderen am Fenstersims hochzustemmen und zuzutreten. Ihr rechter Fuß erwischte ihn am Hals und brachte ihn zu Fall. Sein Hinterkopf schlug gegen die Wand und dann auf eine Treppenstufe und dann wieder gegen die Wand, bis er liegen blieb. Merkwürdig verrenkt, unnatürlich, ein Bein unter sich verdreht. Bewegungslos.
    So lag er da, als Minuten später Jim Straley eintraf, dem die Worte der Entschuldigung auf den Lippen erstarben, als er die Lage erfasste. Die Frau, die er nur einmal getroffen hatte und das nur kurz, warf sich schluchzend und am ganzen Leib zitternd in seine Arme. Ihr fehlten die Worte, um zu erklären, was geschehen war.
    Sobald er meinte, es wäre zumutbar, schob Straley sie ein wenig von sich weg und setzte sie hin, fesselte Roberts mit Handschellen an den nächsten Heizkörper, telefonierte, um Verstärkung und einen Krankenwagen anzufordern, und rief dann Will an.
    »Will, ich bin es, Jim. Nein, hören Sie, alles in bester Ordnung   …«

71
     
    »Wie geht’s Lorraine? Ist alles in Ordnung mit ihr?«, waren die ersten Fragen, die Helen am nächsten Morgen stellte. In der Polizeistation an der Parkside waren alle in heller Aufregung und die Kollegen standen beinahe Schlange, um Wills Hand zu schütteln und ihre guten Wünsche und Glückwünsche auszurichten.
    »Es geht ihr gut«, sagte Will. »Sie ist noch etwas mitgenommen   – wahrscheinlich mehr, als sie zugeben möchte, aber trotzdem, alles in Ordnung.«
    »Und die Kinder?«
    »Den Kindern geht’s auch gut. Susies Tagesmutter hat sich bereit erklärt, heute auf beide aufzupassen. Eventuell noch länger, wenn es notwendig ist. Wir werden sehen, wie es läuft.«
    »Was geschieht jetzt?«
    »Mit Lorraine? Sie wird heute Vormittag offiziell vernommen, mit Belehrung und allem. Der Superintendent nimmt die Sache persönlich in die Hand. Auf keinen Fall lassen sie mich ran. Sobald das vorbei ist, vermute ich, dass sie gegen Kaution freigelassen wird. Dann geht die Akte an die Staatsanwaltschaft und die entscheidet.«
    »Ausgeschlossen, dass sie angeklagt wird   – eine Frau, die allein im Haus ist und ihre Kinder verteidigt.«
    »Es würde mich jedenfalls wundern.«
    »Wie sie das gemacht hat   … erstaunlich. Ich meine, Lorraine   …«
    »Ich weiß.«
    »Dann bist du stolz auf sie?«
    »Was glaubst du denn?« Will hatte Mühe, nicht zu grinsen. Die Angst, die ihm den Magen umgedreht hatte, als er davon erfuhr, die Angst um seine Kinder, seine Frau, das schlechte Gewissen, dass er nicht dort gewesen war, um sie zu beschützen, war schnell von einem Gefühl überwältigender Erleichterung abgelöst worden. Und, ja, Stolz. Stolz darauf, wie Lorraine sich geschlagen, was sie

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