Schrei Aus Der Ferne
des Teams zu der zweiten Stelle verlegt, um dort mit der Arbeit anzufangen. Das gesamte Gelände war abgesperrt und unmittelbar über dem Ort der Suche war ein weißes Zelt errichtet worden.
Ein kleiner Generator war gebracht worden, damit Energie zur Verfügung stand; Licht war bereits installiert.
Es würde ein langer Tag werden, eine lange Nacht.
Will rief Lorraine am Nachmittag zweimal an, um sich zu vergewissern, dass es ihr und den Kindern gut ging. Helen hatte Samuel Jones zur zentralen Polizeidienststelle zurückgebracht und verhörte ihn nach einer formalen Belehrung erneut.
»Wann kommst du nach Hause, was denkst du?«, fragte Lorraine bei seinem zweiten Anruf.
Es war unmöglich vorherzusagen.
»Sobald ich kann. Ich gebe mir Mühe.« Schon beim Redenwusste er, dass er zu viel versprach. Wenn eine Entdeckung gemacht würde, wollte er unbedingt dabei sein.
Er sprach kurz mit Jake, hörte sich Susies Atmen an und legte auf. Zwanzig Minuten später, nachdem er mit dem Leitenden Beamten in Ely gesprochen hatte, rief er Jim Straley an der Parkside an.
»Jim, einen Gefallen bitte. Die örtliche Polizeiwache in Ely hat nicht damit gerechnet, dass sie später am Abend noch jemanden bereitstellen müssen, um auf Lorraine und die Kinder aufzupassen. Sie sind davon ausgegangen, dass ich dann zu Hause bin. Können Sie jemanden aus Cambridge schicken?«
»Nicht nötig. Ich fahre selbst hin.«
»Sind Sie sicher?«
»Klar. Wann soll ich da sein?«
»Ziemlich genau um neun, wenn es geht.«
»Okay, kein Problem.«
»Danke, Jim. Ich schulde Ihnen was.« Will schlug seinen Mantelkragen gegen den heftigen Wind hoch und begab sich zum Mittelpunkt des Geschehens zurück.
Die Polizeikräfte, die das Verschwinden des Schulmädchens Beatrice Lawson untersuchen, haben dem Vernehmen nach mit der Durchsuchung eines Grundstücks begonnen. Es handelt sich um zwei verlassene Landarbeiterhäuschen in der Nähe von …
Ruth drückte auf die Taste für einen anderen gespeicherten Sender und die Stimme des Nachrichtensprechers wich einem Wirbel von Streichern, einer Melodie, die sie sofort erkannte. Sie stammte aus dem letzten Satz von Tschaikowskis 6. Sinfonie, der Pathétique.
Sofort schaltete sie aus.
Besser Stille als das.
Anita Chandra hatte sie etwas früher angerufen, um sie auf die neueste Entwicklung vorzubereiten. »Ich möchte nur, dass Sie informiert sind«, hatte sie gesagt. »Falls die Medien es zu etwas aufbauschen, was es gar nicht ist. Im Moment gibt es keine eindeutigen Hinweise, dass dieses Geschehen mit Beatrice zu tun hat. Was auch immer die Presse vielleicht sagen wird, es gibt überhaupt nichts. Aber wenn irgendetwas ans Licht kommt, werden Sie die Ersten sein, die es erfahren.«
Die Ersten, die es erfahren. Sie wollte sie beruhigen, so viel verstand Ruth. Die Ersten, die erfahren würden, was an diesem kargen Ort entdeckt wurde.
In der Zwischenzeit wanderte sie ziellos von einem Zimmer ins andere und ging Andrew und dem Ausdruck von Hilflosigkeit auf seinem Gesicht aus dem Weg. Ihre Eltern waren inzwischen nach Cumbria zurückgekehrt, und sie musste wenigstens nicht mehr ihre fast stumme Anwesenheit aushalten, die Vermutung, die ihnen deutlich ins Gesicht geschrieben stand, aber nicht ausgesprochen wurde, dass Beatrice bereits tot sei. Also machte sie sich noch eine Tasse Tee, die sie zu trinken vergaß, nahm erst ein Buch in die Hand, dann ein anderes und legte sie beide ungelesen zur Seite, während die Suche weiterging, ohne dass sie es sehen konnte.
Männer und Frauen – sie nahm jedenfalls an, dass auch Frauen dabei waren –, deren Körper verhüllt waren, als wären sie selbst verseucht, hockten auf Händen und Knien am Boden, nur eine Armlänge voneinander entfernt, hoben vorsichtig Erde auf und beförderten alles, was nur im Geringsten verdächtig schien, in sterile Plastikbeutel. Ruth hatte es viele Male gesehen, in sogenannten Unterhaltungsprogrammen und den Fernsehnachrichten.
Die Geschichte in Jersey, das frühere Kinderheim, und dann die Leiche des armen Mädchens, das im Garten desHauses ihres Mörders an der Südküste gefunden worden war. Alles ganz vertraut …
Es war etwas über eine Woche her, seit Beatrice verschwunden war. Um sechs Uhr an diesem Abend würden es genau acht Tage sein.
Und wenn ihre Eltern nun recht hatten und sie ihre Tochter nie wieder lebend sehen würde?
Sie wusste, wie sich das anfühlte.
Sie ging ans Wohnzimmerfenster und sah
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