Schrei Aus Der Ferne
vergangenen Jahrhunderts gebaut worden waren und jetzt langsam verfielen; von der einen, inzwischen wenig mehr als ein Haufen Steine und Mörtel, war nur noch eine tragende Wand stehen geblieben, die andere war eine weitgehend ausgebrannte Hülle. Restevom Dach waren erhalten, ansonsten blickte man in den offenen Himmel.
»Das ist es?«, sagte Will vorsichtig, falls Jones sie in die Irre führte.
»Sie können es glauben oder nicht.«
Im Osten und im Westen zeichneten sich am Horizont Bauernhöfe ab, aber keiner davon war in Hörweite. Das Land war flach und weit. Hier draußen konnte man laut und lange schreien und wurde nicht gehört. Hier draußen konnten ungesehen und unbemerkt schreckliche Dinge geschehen.
»Hier war vor Kurzem jemand«, rief Helen aus dem Inneren. »Zigarettenstummel. Leere Dosen.«
»Hierher hat er sie gebracht?«, sagte Will und drehte sich wieder zu Jones um. »Janine Prentiss?«
»Ich habe ihren Namen nie erfahren.«
»Aber Sie waren hier?«
Jones nahm sich Zeit für die Antwort, wog fraglos das Für und Wider ab. Es gab offenbar Dinge, von denen er nicht wollte, dass die Polizei darauf zurückkam und sie zu genau erforschte.
»Zweimal«, sagte er schließlich. »Als er mit dem Mädchen hier war. Zweimal.«
»Er hat sie Ihnen überlassen?«
Jones stieß einen heulenden Schrei aus. Rot vor Zorn und mit erhobener Faust machte er einen Schritt auf Will zu.
Will verzog keine Miene und blieb stehen. »Erzählen Sie uns, was Sie hier gemacht haben«, sagte er.
Jones wartete, bis sich seine Atmung beruhigt hatte. »Das erste Mal habe ich den Hund geholt, ganz einfach. Damals war das hier in besserem Zustand. Roberts hat hier hin und wieder gewohnt, das wusste ich. Von dem Mädchen wusste ich nichts. Er hat natürlich versucht, sie vor mir zu verstecken, aber ich habe gemerkt, dass sie da war. Sie ist vonzu Hause weggelaufen, hat er gesagt, weil ihr Vater sie geschlagen hat. Angeblich hatte er sie bei sich aufgenommen. Vorübergehend. Er würde sie noch am selben Abend zu einer Tante bringen. In der Gegend von Newmarket.«
»Sie haben ihm geglaubt?«
Jones antwortete nicht. Der Wind war scharf, er fühlte sich kalt an, im Gesicht und an den Händen, und blies Staub und Dreck vor sich her.
»Am nächsten Tag bin ich wieder hergefahren. Hatte den Hund dabei. Das Mädchen war immer noch da. Dieses Mal bekam ich sie zu sehen. Ganz deutlich. Ich habe gesagt, er muss sie loswerden oder ich hole die Polizei.«
»Loswerden?«
»Na, an die Tante, wie ich schon sagte.«
»Es gab keine Tante.«
»Woher sollte ich das wissen?«
»Es war Ihnen egal.«
»Ich hab getan, was ich konnte.«
»Sie hätten sie mitnehmen können. Von dort wegbringen.«
Jones schüttelte den Kopf. »Ich steckte schon zu tief da drin.«
»Na klar«, sagte Will missmutig.
»Was zum Teufel soll das heißen?«
»Was immer Sie wollen.«
Die beiden Männer funkelten sich wütend an. Eins wusste Will. Wäre Jones zwanzig, nein, zehn Jahre jünger gewesen, hätte er sich auf Will gestürzt, und der Polizeiausweis in seiner Tasche hätte ihm nichts genützt.
»Will«, sagte Helen. »Vorsicht.«
Widerwillig wandte Will sich ab.
Helen lief, bis sie außer Hörweite war, und wartete, dass er ihr folgte. »Glaubst du, Roberts könnte Beatrice hierhergebracht haben?«
»Möglich.« Er sah sich um, als eine Krähe einen lauten heiseren Schrei ausstieß und mit dem Wind aufflog. »Aber wenn er es getan hat, wo ist sie jetzt?«
»Der Boden dort in der Ecke, wo der Schutt liegt, sieht aus, als wäre er aufgewühlt worden.«
»Tiere? Füchse?«
»Vielleicht. Aber wenn sie dort gescharrt haben, was wollten sie ausgraben?«
»In Ordnung. Lass uns einen Suchtrupp anfordern. Hunde. Mal sehen, was sie finden.«
Jetzt waren es zwei Krähen, dann drei, die über ihnen in der Luft kreisten.
70
Die Hunde konzentrierten sich auf zwei Stellen: die eine, die Helen zwischen den Trümmern des weitgehend eingestürzten Hauses bemerkt hatte, und eine andere hinter den beiden Katen, wo vermutlich einmal ein Garten gewesen war und jetzt Unkraut wucherte. Will und der Leiter der Spurensicherung gingen herum und legten Prioritäten fest: Zuerst würde die Stelle innerhalb des Hauses untersucht werden. Dazu mussten Ziegelsteine und Schutt sorgsam entfernt werden, bevor Spurensicherer in Schutzanzügen und Gummihandschuhen vorsichtig mit dem Graben beginnen konnten.
Nach einer gewissen Zeit würden möglicherweise einige Mitglieder
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