Schrei Aus Der Ferne
Wasserball Werfen und Fangen zu spielen – reine Zeitverschwendung in seinen Augen, da Tina unfähig zu sein schien, irgendetwas zu erwischen, nicht mal einen Schnupfen auf der Höhe einer Erkältungswelle –, dann ließen sie sich nieder und spielten Schnippschnapp, aber die Karten waren ziemlich alt und klebten im entscheidenden Moment aneinander, was zu spitzen Schreien führte, die in kurzer Abfolge Pauline und das Baby aufweckten.
Nicht viel später erschien Lee wieder im Vorraum des Hauptzelts und trug den allzu vertrauten Ausdruck im Gesicht, der besagte, dass er sich viel zu sehr langweilte, um sich überhaupt über die Langeweile zu beklagen. Gleich darauf kamen Kelly und Heather aus ihrem kleineren Zelt. Sie trugen Shorts und T-Shirts , Heather darüber noch ein weites Baumwolloberteil. In einem rosa und blauen Rucksack steckten ihre Schwimmsachen und Handtücher.
»Was soll das heißen? Wo wollt ihr hin?«, fragte Alan.
»Zum Schwimmen.«
»Auf keinen Fall, jetzt nicht.«
»Dad …«
»Nein, tut mir leid. Nein.«
»Außerdem ist es viel zu spät«, warf Pauline ein. »Es ist bald Zeit für euer Abendbrot.«
»Wir haben doch gerade Mittag gegessen«, sagte Kelly.
»Bitte, Mrs Efford«, sagte Heather. »Wir gehen ja nicht weit. Nur in diese kleine Bucht, die wir vom Weg aus gesehen haben, wissen Sie?«
»Da könnt ihr nicht hin.«
»Warum denn nicht?«, wollte Kelly wissen.
»Weil ihr euch den verdammten Hals brecht, wenn ihr da runterklettert«, sagte Alan Efford. »Darum.«
»Ach, Dad! Wir sind schließlich keine Kleinkinder mehr.«
Alan Efford wurde schwach und sah hilfesuchend seine Frau an.
»Wenn vielleicht Lee mit ihnen geht«, schlug Pauline vor.
»Nie im Leben«, sagte Lee verächtlich. Er saß mit gekreuzten Beinen in der Ecke und entwirrte die Kopfhörer seines Sony-Walkmans.
»Mach schon, Lee«, sagte Pauline drängend. »Das ist doch nicht schlimm.«
»Auf keinen Fall.«
»Na schön«, sagte Kelly. »Wir wollen ihn sowieso nicht dabeihaben.«
»Also«, sagte ihr Vater, der inzwischen die Nase voll hatte, »entweder er geht mit oder ihr beiden bleibt hier. Was anderes gibt’s nicht.«
Kelly sah auf Heather, die die Achseln zuckte und seufzte.
»Komm schon, Lee«, sagte Heather. »Das wird lustig.«
Leise fluchend bedachte Lee sie mit einem Schimpfwort.
»Du«, sagte Efford und stieß einen Finger in Richtung seines Sohnes, »kriegst jetzt deinen faulen Hintern hoch und gehst mit. Sofort.«
»Dad …«
»Du tust, was ich verdammt noch mal sage.«
Mit einem tiefen Seufzer kam Lee auf die Füße. »Dann kommt, wenn wir schon gehen müssen.« Er setzte die Kopfhörer auf und verließ das Zelt.
»Danke, Mr Efford«, sagte Heather. »Wir sind auch bestimmt ganz vorsichtig.«
»Bleibt nur nicht zu lange, das ist alles.«
»Nein, machen wir nicht.«
Und schon waren sie verschwunden.
Fast eine Stunde später ging Alan Efford mit Tina zum Laden – ein Lolli für sie, Zigaretten für ihn und Pauline – und da war Lee, der mit einem halben Dutzend anderer Jungen einen Ball durch die Gegend kickte.
»Was zum Teufel treibst du hier?«
»Wonach sieht’s denn aus?«, erwiderte Lee.
Efford verpasste ihm einen Schlag auf den Hinterkopf, und mehrere der anderen Jungen lachten.
»Du sollst doch bei deiner Schwester sein.«
»Ja, also …«
»Also was?«
»Sie war immerzu am Meckern. Sie und diese Heather haben die ganze Zeit gekichert und rumgesponnen. Ich hab ihnen gesagt, sie solln das lassen, sonst …«
»Sonst, was?«
»Sonst würde ich zurückgehen.«
»Und das hast du getan?«
»Jo.«
Efford zielte noch einen Schlag auf seinen Kopf, aber dieses Mal duckte sich der Junge und wich zurück.
»Warte nur«, sagte Efford. »Wart’s nur ab.«
Aber in der Zwischenzeit war Nebel vom Meer herangekommen. Als Efford zum Zelt zurückkehrte, hatte er sich schon in Wellen auf dem ganzen Campingplatz ausgebreitet, und die Küste, die doch nur hinter dem Feld lag, war kaum noch auszumachen.
»Ich dreh ihm den verdammten Hals um!«, sagte Pauline Efford, als sie hörte, was Lee getan hatte.
Fluchend zog Efford seine Regenjacke über und trat in die graue Masse hinaus. Unter seinen Füßen war kaum zu erkennen, wo der Küstenpfad anfing. Als er die Namen der Mädchen rief, schien der Nebel seine Stimme zu verschlucken. In weniger als dreißig Minuten war er wieder da.
»Man kann die verdammte Hand nicht vor Augen sehen und hat Glück, wenn man
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