Schrei in Flammen
hatten sich Zugang zu einigen der populären Clubs im Zentrum verschafft, in denen neben Top-Frauen auch die reichen Vorstadtjungs verkehrten, die immer etwas Schnee brauchten, um Gas geben zu können. Das Geschäft lief gut, so gut, dass Ahmed kaum noch mit seinen Lieferungen nachkam, um den Bedarf zu befriedigen.
»Ich bin diesen Loser ganz schön leid«, sagte Marco. »Er stinkt nicht nur wie eine Kanalratte, er ist auch zu teuer, wenn er denn überhaupt liefern kann. Wir sollten uns einen anderen Lieferanten besorgen und im größeren Stil einkaufen.«
»Wo sollen wir den denn hernehmen? Die Rocker lassen uns an ihre Leute ebenso wenig ran wie die Typen vom Blågårds Plads.«
Marco lebte auf, wie immer, wenn sie auf dieses Thema zu sprechen kamen.
»Bist du dir eigentlich im Klaren darüber, wie viel mehr wir verdienen könnten, wenn wir mal größere Portionen kriegen würden? Das Zeug wäre dann viel billiger, und gerade das Koks kriegen wir ja ganz sicher verkauft. Im
Simons
stehen die ja regelrecht Schlange, um sich ihre Lines reinzuziehen, und neulich hat mich einer vom Gymnasium in Hellerup angesprochen, der meinte, er könne uns da mit Sicherheit auch etwas verkaufen, wenn wir ihm was besorgen würden. Mann, sieh das doch ein, wir könnten echt groß rauskommen, wenn wir nur einen anderen Lieferanten hätten. Oder wir importieren das Zeug selbst. Haschisch könnten wir doch aus Marokko holen! Mann, wir würden leben wie die Könige, in Weibern baden und die fettesten Schlitten fahren.«
Thomas nickte. Er konnte Marcos Visionen durchaus folgen, doch bei ihm riss der Film immer, wenn es darum ging, Ahmed zu ersetzen. Er erinnerte sich nur zu gut an die Geschichte mit dem Boxer, einem unglaublich coolen Typen, für den sie einmal einen Kurierjob übernommen hatten. Als Marco ihm seine Idee skizzierte, hatte dieser Typ das nicht einmal kommentiert. Er und seine Leute spielten wirklich in einer komplett anderen Liga.
Marco stand auf und ging aus dem Zimmer. Thomas hörte ihn im Nebenraum mit etwas hantieren. Als er zurückkam, hielt er eine Pistole in der Hand. Eine Glock.
»Das Ding hier flößt Respekt ein«, sagte Marco und hielt die Waffe am ausgestreckten Arm vor sich, als zielte er auf etwas draußen vor dem Fenster. »Wir regieren die Straße und werden diese alten Rocker schon das Zittern lehren.«
»Alte Rocker? Ah … ha … ha … haaaa«, Thomas musste lachen, als die Comicfiguren seiner Kindheit mit den Rockern in seinem benebelten Kopf verschmolzen.
Marco setzte sich wieder und wartete geduldig darauf, dass Thomas wieder ernst wurde. Dann legte er die Pistole auf den Tisch. »Sollen wir noch eine Pfeife rauchen, bevor wir unsere Runde machen?«
»Klar«, schnaubte Thomas und begann mit seinem Feuerzeug eine Zigarette zu rösten.
*
Es war bald zehn Uhr abends.
»Nun«, sagte Jens und gähnte. »Von morgen an ist Dahl dann Torstens Sache. Dann können wir uns in Ruhe wieder unseren Pappenheimern zuwenden.«
»Schon ein komisches Gefühl, den Fall abzugeben«, sagte Katrine und warf einen Blick auf die Tafel.
»Ganz aus der Hand geben wir ihn ja noch nicht.«
»Ja, aber trotzdem. Immerhin übernimmt er unseren Hauptverdächtigen … Frustriert dich das denn gar nicht?«, fragte sie.
»Doch«, erwiderte Jens. »Aber das gibt uns die Chance, ein paar anderen interessanten Dingen nachzugehen.«
»Stimmt, ja«, antwortete sie und sah sich die Gesichter nachdenklich an. »Wer weiß, vielleicht findet sich der Täter ja in unserer Klientel.«
»Warten wir’s ab«, sagte Jens.
»Hm. Jetzt ist’s aber genug für heute. Ich mache Schluss und fahre nach Hause.« Als sie an die lange Fahrt dachte, überkam sie plötzlich unbändige Müdigkeit. Es war schön, an der Küste zu wohnen, aber in Situationen wie dieser hätte sie gern eine Wohnung in der Stadt gehabt.
»Denkst du an den weiten Weg?«, fragte Jens, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
»Ist schon okay, um diese Uhrzeit ist ja nichts los. Wann treffen wir uns morgen?«
»Äh, willst du nicht lieber frei machen?«
Der Bericht. Verdammt. Den verfluchten Bericht für Melby hatte sie komplett vergessen. Dabei hatte ihr die Eigendynamik, die dieser Fall entwickelte, irgendwie zurück in den Alltag geholfen. Den ganzen Tag über hatte sie an nichts anderes als die Arbeit gedacht. Es tat ihr gut, sich in eine Sache zu vertiefen. Genau das brauchte sie jetzt.
»Nee, ich komme morgen ins Büro und widme mich endlich diesem
Weitere Kostenlose Bücher