Schrei in Flammen
haben«, sagte Merete Toksvig und dachte einen Moment lang nach, bevor sie schlussfolgerte: »Wir führen Dahl morgen wegen Mordverdachts dem Haftrichter vor. Es würde mich wundern, wenn wir auf dieser Grundlage nicht wenigstens vierzehn Tage Untersuchungshaft rausschlagen würden. Parallel untersuchen wir minutiös alle anderen Spuren.«
»Klingt gut«, sagte Bistrup und lehnte sich zurück. »Das gibt uns genug Zeit, ihn festzunageln.«
Merete Toksvig sah ihn kurz mit distanzierter Miene an und blickte dann vielsagend zu Katrine, ehe sie sich verabschiedete und ging.
Bistrup stellte sich in die Türöffnung. »Du musst alles für den Haftrichter vorbereiten«, sagte er zu Jens.
»Jetzt reicht’s aber, Torsten. Er ist dein Verdächtiger.«
Bistrup sah auf seine Uhr. »Ich sollte eigentlich längst beim 50. Geburtstag eines wirklich guten Freundes im Restaurant Bellahøj sein, essen und trinken und eine Rede über unsere Freundschaft halten, schließlich kenne ich ihn schon seit der Grundschule. Ich kann den Fall unten gerne an einen meiner Kollegen weitergeben, aber es wird mindestens eine Stunde dauern, bis ich den eingewiesen habe. Wenn ich jetzt fahre, schaffe ich es wenigstens noch zum Dessert.«
Jens seufzte. »Ist okay, hau schon ab.«
*
Marco riss ein Streichholz an, führte es an das Chillum und atmete tief ein. Die Mischung aus Tabak und Hasch glühte mit einem warmen, orangeroten Schein, der sein Gesicht in dem dunklen Raum für einen Moment aufleuchten ließ. Er spürte das wohlige Gefühl, als sich der Rauch in seinen Lungen ausbreitete, inhalierte noch ein paarmal, behielt den Rauch lange in den Lungen und reichte das Chillum dann an Thomas weiter.
»Hey, T, verdammt gutes Zeug«, sagte Marco leise, den Rauch noch immer zurückhaltend. Thomas führte die Pfeife an den Mund und inhalierte tief. Dann atmete Marco den Rauch langsam und gleichmäßig aus. Thomas nickte anerkennend.
»Echt gut«, sagte er und gab Marco das Chillum zurück.
Still ging die Pfeife hin und her.
Marco spürte, wie er ruhig wurde und auch seine Gedanken ihr hektisches Tempo verloren. Er lehnte sich auf dem Sofa zurück und blickte an die Zimmerdecke.
Thomas nahm einen letzten Zug und legte die Pfeife auf den überfüllten Aschenbecher, der auf dem Tisch stand.
Das Zimmer, in dem sie saßen, war mit zwei Sofas und einem alten Ledersessel eingerichtet. Zwischen den Sofas stand ein Couchtisch aus hellem Holz, dessen Oberfläche inzwischen aber verdreckt war und zahlreiche Brandstellen von Zigaretten und Kerzen hatte. Ein paar leere Bierdosen, ein Pizzakarton, ein Stück Alufolie mit Hasch und ein voller Aschenbecher standen auf dem Tisch, über dem eine Reispapierlampe hing. An der Wand zur Straße stand ein großer schwarzer TV -Tisch, auf dem ein Flachbildfernseher thronte.
»Hast du gemerkt, wie abartig Ahmed gestunken hat?«, fragte Marco und richtete sich grinsend auf dem Sofa auf. »Nach Käsefüßen und faulen Eiern. Was meinst du, wann hat der zuletzt gebadet?«
»Das war echt übel«, antwortete Thomas und lachte, bis er von einem heftigen Husten übermannt wurde.
Ahmed war Libanese und wohnte in Sydhavn. Er hatte oft mit Marcos Vater zusammengehangen, bevor dieser zurück nach El Salvador gegangen war. Das lag jetzt schon Jahre zurück. Damals hatte Marcos Vater Geschäfte mit Ahmed gemacht. Eine der wenigen Erinnerungen, die Marco an seinen Vater hatte, war, wie sie mit dem Zug zum Sjælør Boulevard gefahren waren, um Ahmed zu besuchen. Während die Erwachsenen rauchten, hatte Marco Donkey Kong auf seinem Gameboy gespielt.
Als Marco vor wenigen Jahren Ahmed zum ersten Mal gefragt hatte, ob er bei ihm Haschisch kaufen könnte, also nicht bloß ein Gramm, sondern ein bisschen mehr, hatte Ahmed zuerst abgelehnt, weil er nicht an Kinder verkaufte. Aber Marco war hartnäckig gewesen und hatte ihn davon überzeugt, dass er in der Lundtoftegade, in der er wohnte, sicher was aufziehen könnte. Am Ende hatte er nachgegeben. Schließlich konnte er das Geld gut gebrauchen. Anfangs waren es recht kleine Mengen gewesen, 20 Gramm, beim nächsten Mal vielleicht 50. Marco hatte tatsächlich Talent für dieses Geschäft, und gemeinsam mit Thomas war es ihm gelungen, den Handel weiter auszuweiten. Inzwischen verkauften sie nicht mehr selbst, sondern ließen das von einigen der jüngeren Kids im Block erledigen. Abgesehen vom Koks. Vor gut einem Jahr hatte Ahmed begonnen, ihnen auch Kokain zu besorgen. Marco und Thomas
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