Schroders Schweigen
dass es genau die Art von leicht missverstandener Intrige ist, die sich ihren Weg in die Klatschpresse und in die billigen Illustrierten bahnen könnte, also werde ich mich stante pede daranmachen, einige der am häufigsten gestellten Fragen zu meinem Fall zu beantworten.
Nr. 1: War die Handlung des Angeklagten vorsätzlich?
Um dies zu beantworten, muss ich im Prinzip mit einer Beschreibung von North Albany im Februar beginnen:
Im Februar sind in North Albany Flora und Fauna tot, der Schnee ist tabakbraun vom Verkehr, die Kinder sind in ihren Schulen eingesperrt, und lautlos ziehen sich die Tage hin. Die Katzen werden nass und dünn und der Regen wird hart und bitter, als wäre er kein Regen, sondern die flüssig gewordene Umverteilung von kollektiver Mühsal; es ist ein kalter Regen, ein Regen, der auf jedes aufblickende Antlitz einsticht, ein verfluchter Regen, der einen Mann an den Korkenzieher treibt. O du Februar, du machst unsere Herzen zu Stein.
Jetzt, zu jeder anderen Jahreszeit, ist Albany eine entzückende Stadt. Mit dem prächtigen Staatskapitol nach irgendeinem Pariser Vorbild, mit dem Rathaus wie in unserer belgischen Partnerstadt Ypern, mit den sechsunddreißig Marmorsäulen entlang der Kolonnade des Education Building versetzt Albany den vorbeischlendernden Touristen in Erstaunen . Wie kommt es, fragt sich der Tourist, dass man mitten im Staat New York auf eine so europäische Metropole stößt? Er tritt hinaus auf das weitläufige Empire State Plaza und verharrt ehrfurchtsvoll angesichts der schieren Größe der hoch in den Himmel ragenden Gebäude – sogar desjenigen, das einem riesigen Ei ähnelt, gespiegelt in einem Wasserbecken, das allein drei Footballfelder misst.
Ich gewöhnte mir an, im Februar, diesen Platz abzuschreiten, auf der Suche nach einem Ausweg aus meiner misslichen Lage. Es wollte mir nicht gelingen, einen konstruktiven Blick auf mein Leben zu gewinnen. Seit unserer Trennung in jenem Herbst hatte ich Meadow jedes zweite Wochenende bei mir, und offenbar entsprachen diese Besuche den Erwartungen. Zwei Tage voller Puzzlespiel, Glitzerkram, Geschrei und verbotener cremegefüllter Supermarktkuchen. Zwei Tage lang sog ich ihr Geplauder auf, diente als ihr Hampelmann beim Mutter-Vater-Kind- oder Schule-Spielen. Und der Mittwoch war immer ein Traum, wenn wir ihn denn zu fassen kriegten. Als Meadow aber in den Kindergarten kam, war das ein Übergang in ein neues Leben für sie als Einzelperson, und manchmal saß ich nur unbeachtet da und sah ihr beim Spielen mit einer Freundin zu, die wir im Washington Park zufällig trafen, oder schlimmer noch, man teilte mir mit, dass der Mittwochsbesuch wegen irgendeiner Konkurrenzveranstaltung ausfallen werde.
Und dann war da noch das Problem mit den Tagen dazwischen. Zwischen den zugeteilten Wochenendbesuchen erstreckten sich die einzelnen Wochen selbst. Wurmstichige, zutiefst traurige, übertrieben lange Tage vor und nach den versöhnlichen Samstagen und Sonntagen in ihrer Gegenwart.
Und dann jedes zweite Wochenende ohne sie. Der Kummer zog diese Wochenenden in die Länge. Wie ein junges Mädchen saß ich neben dem Telefon und hoffte, wegen irgendeines organisatorischen Konflikts als Babysitter auf den Plan gerufen zu werden. Unerbittlich drehte sich die Sache im Kreis, und ich stellte fest, dass sie mich auslaugte. In Erwartung ihrer Ankunft tigerte ich stundenlang auf dem sumpfigen Teppich meines Hauses hin und her, aber wenn sie dann endlich auf dem Rücksitz des großväterlichen Tahoe auftauchte, überkam mich eine bleierne Müdigkeit. Das Warten hatte mich erschöpft. Letztlich war das Schwierigste an einem einst himmelhoch jauchzenden Glück, dass man sich später, nachdem das Leben eine Wendung zum Schlechteren genommen hat, wünscht, man hätte es nie anders gekannt. Ich sah sie aus dem Auto steigen und fragte mich, ob es das alles wert sei, diese wenigen Tage. Meadow selbst hatte das gleiche optimistische Lächeln im Gesicht wie immer, wenn sie auf meine Haustür zukam. Sie hätte mein Selbstmitleid nicht gebilligt; sie hatte keine Krämerseele; sie war immer das Beste aus uns beiden, Laura. Das wusste ich in dem Moment, als sie geboren wurde.
Und doch waren wir beide noch immer nicht geschieden. Du hattest die Scheidung nicht eingereicht. Allmählich fragte ich mich, woran das lag. Aus religiösen Gründen? Oder wolltest du, dass ich auf den Abzug drückte? Oder hast du gar mit dem Gedanken gespielt, zu mir zurückzukommen? Ich
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