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Schroders Schweigen

Schroders Schweigen

Titel: Schroders Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amity Gaige
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werde es nie erfahren. Ich sah dich nur selten. Wir redeten so gut wie gar nicht. Deine Eltern und dein diplomatisches Kind beschützten dich. Du schicktest deinen Vater als Gesandten. Wir winkten einander durch das Fenster seines furchterregenden Wagens zu. Bis zum Erbrechen höflich versuchte ich mit meiner aufgesetzten Ritterlichkeit, dir Raum zu lassen. Zeit zum Nachdenken.
    Meine Geduld war nur gespielt – zweifellos war das meine schwierigste Rolle.
    Der März brachte eine Flut von Sonne. Ich verkaufte zwei Häuser. Ich fing etwas an mit einer Kollegin von Clebus, einer Frau, die du kanntest und nie besonders mochtest.
    Als ich ihr erzählte, wir hätten uns getrennt, wirkte sie enttäuscht und ergriff instinktiv Partei für dich.

BEZAHLBAR, ANSPRECHBAR, EHRWÜRDIG
    Als ich zum ersten Mal die Kanzlei von Rick Thron betrat, machte ich nicht den besten Eindruck. Ich musste dringend zum Friseur, und mir war eiskalt. Bei einer Hausbesichtigung in Delmar hatte ich meinen Wintermantel vergessen, und aus unerklärlichen Gründen fuhr ich nie zurück, um ihn mir wiederzuholen. Throns Büro lag in der obersten Etage eines Hauses mit Blick auf den Quackenbush Square, wo die Touristen im Sommer in die Amphibienfahrzeuge steigen, um sich über den Hudson schippern zu lassen. Aber es war nicht mal Frühling. Der Welt mangelte es eindeutig an einem Schlussakkord. Der März war fast vorbei, doch ein spätwinterlicher Schneesturm hatte die Straßen Albanys mit Schneematsch überzogen. Meine Stiefel quietschten durch den ganzen Flur und bis vor die Tür von Throns Büro. Als ich das Büro betrat, wurde ich von der hübschen Sekretärin eingelullt, die garantiert genau für Männer wie mich eingestellt worden war, verzweifelte Männer, Männer, für die jede Hilfe zu spät kam, entschieden zu spät.
    »Wenn ich Sie richtig verstehe«, sagte Thron, nachdem er sich meine traurige Geschichte angehört hatte. »Ich verstehe Sie doch richtig, dass Sie ihre Tochter lieben. Ich verstehe Sie doch richtig, dass Sie vor der Trennung ein gleichrangiger Partner waren, wenn nicht gar Ersatzmutter. Streng genommen waren Sie ein Jahr lang Hausmann – der Hauptbetreuer ihrer damals dreijährigen Tochter. Verstehe ich Sie da richtig?«
    »Ja, das tun Sie.«
    »Und ich verstehe Sie also richtig, dass man Ihnen bei der Mediation, zu der Sie sich aus lauter gutem Willen gegenüber Ihrer Noch-Ehefrau einverstanden erklärt hatten, mal so richtig in die Eier getreten hat, und jetzt stehen Sie da mit diesem Gefühl der – mit einem Gefühl der –«
    »Seelischen Erschöpfung«, sagte ich. »Der Sinnlosigkeit. Der Leere.«
    »Schlecht«, sagte Thron. »Sie fühlen sich richtig schlecht. Ihr schlechtes Gefühl wird dadurch noch verstärkt, dass Sie – aufgrund Ihrer Gutmütigkeit – Ihre Rechte als Vater preisgegeben haben, und zwar aus – aus lauter –«
    »Liebe«, sagte ich.
    »Liebe.« Thron setzte sich zurück. »Richtig.«
    »Ich liebe meine Frau noch immer«, wiederholte ich. »Meine Noch-Ehefrau.«
    Thron, ein breitschultriger Mann in einem gesichtslosen Büro ohne eine einzige Pflanze, ein einziges Foto, machte eine wegwerfende Geste. »Vergessen. Sie. Das. Ihre Noch-Ehefrau liebt Sie nicht . Jemand, der versucht, sich Ihnen zu entziehen und einen Keil zwischen Sie und Ihr Kind zu treiben, der liebt Sie nicht . Hören Sie auf, sich wie eine geprügelte Frau zu benehmen, Eric, die sich von ihrem eigenen Ehemann siebenundfünfzig Messerstiche verpassen lässt. Wieso lassen die Leute es so weit kommen, dass sie am Ende siebenundfünfzig Messerstiche kassieren? Weil sie immer noch auf die Liebe warten. Lassen Sie sich nicht ablenken, Eric. Lassen Sie sich keine siebenundfünfzig Messerstiche von Ihrer Frau gefallen. Ein Messerstich, und dann ist Schluss. Sie stechen jetzt zurück.«
    »Okay«, sagte ich.
    »Wissen Sie eigentlich, Eric, dass Ehepartner, die eine Scheidung veranlassen, die Scheidung oft als ›wichtige persönliche Erfahrung‹ verbuchen? Sogar ihr Immunsystem funktioniert besser. Aber Sie – der Ehepartner, der geblieben ist, der treu war, derjenige, der es ernst meinte mit seinem Gelübde –, was haben Sie davon? Sie gucken am Ende in die Röhre. Ihre Scheidung könnte Sie krank machen.«
    »Hat sie ja schon!«, rief ich. »Ich habe seit Monaten eine Bronchitis.«
    »Ich sehe das nicht zum ersten Mal, Eric. Sie hätten schon viel früher zu mir kommen sollen.« Beherzt ordnete er ein paar Unterlagen. »Also, wer hat den

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