SchrottT (German Edition)
erforderlich sein, und das ist einer der Gründe, warum meine Wenigkeit für den Vorsitz vorgeschlagen wurde.«
Diese diplomatischen Fähigkeiten kennt Colin. Er denkt an den Konflikt zwischen Länglich und seiner ersten Frau.
»Die Konferenz wird die optimale Sicherheit bundesweit garantieren.«
Die Kamera zeigt den Moderator: »Gefährdet das nicht die Unabhängigkeit der Länder, die in der Verfassung festgeschrieben ist? Für die länderübergreifende Sicherheit ist doch die Bundespolizei zuständig.«
Dafür hat Länglich sein mitleidiges Lächeln vorbereitet, das er unmittelbar anschaltet. »Vielleicht kennen Sie nicht die stark beschränkte Liste der Aufgaben der Bundespolizei. Sie kümmert sich um die Grenzen, Flugzeuge und die Eisenbahn. Sie steht in keinerlei Konkurrenz zu den Landespolizeikonzernen und ist auch nicht privatisiert worden. Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf: Einen bürokratischeren, lahmarschigeren Haufen werden Sie nirgendwo finden, nicht einmal in der städtischen Bücherei, und das trotz einiger Modernisierungsbemühungen, die in letzter Zeit eingeleitet worden sind.«
Irgendwas an Länglichs Loblied auf die Bundespolizei kommt Colin bekannt vor, aber er kann nicht mit dem Finger drauf zeigen, weil plötzlich ein Kameramann vor seiner Nase auftaucht.
»Was …«, setzt Colin an.
»Pst!«, macht der Kameramann. »Das geht über den Sender.«
Colin verstummt, starrt geradeaus. Die Zuschauer von News 3D bekommen schon jetzt Hinweise darauf, was gleich passieren wird, wovon aber nicht alle Protagonisten wissen. Die Spannung steigt. Offenbar hat der Regisseur einen besonderen Bedarf an Dramatisierung. Der Kerl wäre besser bei Drehs von Krimis aufgehoben, findet Colin.
»Frau Länglich«, spricht Paul Gabor Colins Mutter an. »Sie sind sicher sehr stolz auf die Karriere Ihres Ehemanns.«
Colin hält automatisch die Luft an.
»Ja, das bin ich«, sagt Emma Länglich, geborene Weinland, leise und kommt über die Andeutung eines Lächelns nicht hinaus.
Gabor beugt sich ein Stück vor, verzichtet aber auf die Bitte, doch etwas lauter zu sprechen. »Sie sind frisch verheiratet, richtig?«
Für einen Moment wirkt Colins Mutter abwesend, scheint die Frage nicht gehört zu haben. Sieht an Kamera und Moderator vorbei, will etwas sagen, muss sich sammeln. »Ich …«, bringt sie hervor, »ich unterstütze meinen Mann, wo immer ich kann.«
Das Publikum klatscht erleichtert, als eine Anzeigetafel darum nachsucht.
Gabor nickt langsam. Colin sieht ihm an, dass er mental umschaltet. Der Augenblick der Wahrheit kommt näher. Sofort bricht ihm der Schweiß aus.
»Frau Länglich«, sagt der Moderator gedehnt, »die wenigsten unserer Zuschauer wissen, dass Ihr Sohn der Sänger einer aktuell sehr erfolgreichen Band ist. Was halten Sie denn von seinen Songs?«
Das Fernsehbild zeigt jetzt Colins Mutter und Länglich in der Halbtotalen. Der Blick des Signore verlangt: Sag bloß nichts Falsches! Aber Emma Weinland schaut nur ins Leere. Sie schluckt. »Ich liebe meinen Sohn«, sagt sie, aber ihre Stimme bricht.
Gabor wartet ab, bis das Publikum aufhört zu klatschen. »Sie wissen ja, liebe Zuschauer, News 3D ist für seine Überraschungen bundesweit bekannt. Und es sind echte Live-Überraschungen, bei uns ist nichts gestellt.« Er lässt seine Worte einen Moment lang wirken. Jemand tippt Colin auf die Schulter. Es ist James, dessen Lippen lautlos ein »Es geht los!« formen.
»Verehrte Zuschauer, wir haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Ihnen jetzt und hier eine Familienzusammenführung der besonderen Art zu präsentieren.« Er hebt die Stimme und seinen Hintern aus dem Sessel, während Länglichs Gesichtszüge gefrieren. »Sie haben extra ihre Tour für uns unterbrochen, gestern noch haben sie im Amphitheater Gelsenkirchen mit Tausenden gefeiert, heute live in News 3D: die Crap-Metal-Band der Stunde, heute mit ihrem neuen Song Storno bitte … Begrüßen Sie Colin Free und seine Band – SchrottT!«
Das Publikum kreischt, und das ganz ohne digitale Anweisung. Die Scheinwerfer knallen Colin ins Gesicht, er lächelt schüchtern, dann setzen die Drums ein. Tier hantiert an seiner Süßen herum, als hätte er Sex. James donnert einen Akkord, den dieses Studio noch nicht gehört hat. Colin sieht den Monitor zu seinen Füßen, der zuerst ihn selbst zeigt, dann Signore Länglich, der zu einer Bronzestatue erstarrt ist, die irgendwie an den alten Kaiser Wilhelm auf der Hohensyburg erinnert.
Als
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