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Schsch!

Schsch!

Titel: Schsch! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Rose
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er.
    »Misha war reich, hatte Einfluss und einen netten Körper. Und er hat nicht den ganzen Tag im Fitnessstudio verbracht, um bei den anderen Losern mit seinen Muckis anzugeben. Er hat gearbeitet. Er hat vier Sprachen gesprochen. Bücher gelesen. Wie kommst du darauf, dass er die Angestellte nicht ficken wollte? Und dass die Angestellte es nicht auch wollte?«
    Wieder angespanntes Schweigen. »Und – habt ihr?«, fragte er.
    »Ja. Einmal.« Plötzlich traten Amber die Tränen in die Augen. »Er war stockbesoffen. Er hatte gerade erst erfahren, dass ihre Therapie nicht anschlug. Ich glaube, er wusste nicht mal, dass ich es war. Aber Tatiana wusste es irgendwie. Ich dachte, sie würde mich rausschmeißen, aber sie … hatte nichts dagegen. Sie war traurig, dass sie ihm schon lange keine richtige Frau mehr hatte sein können – erst die Schwangerschaft, dann die Krankheit. Er hatte eben Bedürfnisse, und sie bat mich, sie zu erfüllen. Und das hätte ich gerne getan, aber er wollte nicht. Er war niedergeschmettert, weil er ihr einmal fremdgegangen war. Es gab nichts zu erpressen. Keine schmutzigen Geheimnisse. Nur ein kurzes, heißes Schäferstündchen mit dem Segen der Gemahlin«, endete sie verbittert.
    Ein Muskel zuckte in seinem Kiefer. »Ich hätte ihm den Schwanz abschneiden sollen, bevor ich ihn erschossen habe.«
    Und in diesem Moment wusste Amber, dass sie nicht so glimpflich davonkommen würde wie Misha Smirnov. »In weniger als einer Meile wird hier auf dieser Straße ziemlich viel Verkehr sein. Wenn du das hier durchziehen willst, dann musst du es jetzt machen.«
    Brock starrte stur geradeaus und knetete das Lenkrad. Sie glaubte schon, dass er kneifen würde, aber dann trat er das Gaspedal durch. Wie eine Rakete schoss der Mercedes voran.
    Dienstag, 24. Dezember, 11.50 Uhr
    Daphne saß an Maggies Tisch und starrte auf den Gitarrenkoffer. Mehrmals hatte sie schon die Hand ausgestreckt, um ihn zu berühren, es dann aber doch nicht getan. Schließlich kehrte Maggie zurück. Sie hatte das Pony wieder in die Box gebracht.
    »Spring ins kalte Wasser, Daphne«, sagte sie barsch und klappte den Kasten auf.
    Daphnes Augen füllten sich mit Tränen. »Er saß immer auf der Veranda, spielte ›Edelweiß‹ und sang dazu. Es war mein Lieblingsschlaflied. Bevor all die schlimmen Dinge passierten, waren wir glücklich.«
    »Ich weiß. Deine Mutter hat mir davon erzählt. Soll ich dir den Brief vorlesen?«
    »Ja, bitte.«
    »›Liebe Daphne, wenn du diesen Brief bekommst, war ich nicht in der Lage, meinen Verdacht zu beweisen. Alle denken, dass ich deiner Cousine etwas angetan habe – und dir. Das stimmt nicht. Ich würde lieber sterben, als dir nur eins von deinen hübschen Haaren zu krümmen. Allerdings bin ich ziemlich sicher, dass ich weiß, wer es in Wahrheit getan hat. Wenn ich es nicht beweisen kann, werde ich von hier weggehen, denn sonst muss ich ins Gefängnis. Leider werde ich dich in beiden Fällen nicht aufwachsen sehen. Deswegen gebe ich dir ein Stück aus meinem Herzen. Spiel es oft und denk immer daran, wie sehr ich dich liebe. Dad.‹«
    Daphne presste sich eine Hand auf die Lippen. Die Tränen flossen ungehindert. Als Achtjährige hatte sie auf kindliche Art versucht, allen mitzuteilen, wer eine derart scheußliche Tat begangen hatte. Sie hatte ein Bild gemalt, da es ihr die Sprache verschlagen hatte, aber ihre Botschaft war falsch verstanden worden, und man hatte ihren Vater beschuldigt. »Er ist also an jenem Abend losgezogen, um den Täter zu stellen, doch stattdessen wurde auch er umgebracht.«
    Maggie streichelte ihr übers Haar, wie Daphne es gerade mit dem kleinen Mädchen gemacht hatte. Dann holte sie aus ihrer Schreibtischschublade einen alten Kassettenrekorder. »Ja?«
    »Ja«, sagte Daphne durch die Tränen hindurch.
    Maggie legte die Kassette ein, und Daphne konnte plötzlich nicht mehr atmen. Sie hörte die vertraute Stimme ihres Vaters, der zur Gitarre »Edelweiß« sang – er hatte ihr ein Schlaflied hinterlassen.
    Sie legte den Kopf auf den Tisch und weinte, bis sie keine Tränen mehr hatte. Nach einer ganzen Weile seufzte sie bebend und setzte sich auf. Sie fühlte sich irgendwie … reingewaschen. Maggie beobachtete sie, ihr Blick war voller Mitgefühl.
    »Weißt du was?«, fragte Daphne schniefend. »Nach all dieser Zeit, nach all den schrecklichen Dingen, die passiert sind – damals, als ich acht war, und vor drei Wochen –, kommt es mir jetzt vor, als ob ich bisher

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