Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schüchternheit der Pflaume

Schüchternheit der Pflaume

Titel: Schüchternheit der Pflaume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Kanzler
Vom Netzwerk:
ich gerade gekauft. Würdest du die signieren?«
    Was er mir unter die Nase hält, ist mein Album, das erste und einzige bisher, ungefähr anderthalb Jahre alt. Er schiebt seine Bierflasche beiseite, lächelt ein vogelscheues Lächeln. Ich nicke, klar, gern, und der Vogeljunge reicht mir einen Kugelschreiber und die Papphülle.
    Von außen sieht das Album wie ein vergilbter und bekritzelter Luftpostbrief aus. Innen klebt ein Heftchen mit Fotos. Auf der jeweils linken Seite sind Stillleben heruntergekommener Sachen zu sehen, das Innenleben baufälliger Häuser oder schrottreifer Autos. Auf der rechten Seite wiederholen sich die Fotos, allerdings mit dem Unterschied, dass rechts der Bassmann und ich mit im Bild sind. Aus Stillleben werden Portraits. Auf einem kniet der Bassmann auf einer zerfetzten Matratze, und ich lehne an einem Regal voller Einmachgläser, auf einem anderen halte ich mich an einem schiefen Lenkrad fest, während der Bassmann auf dem löchrigen Beifahrersitz schläft, auf dem dritten lache ich über zerbrochene Tassen hinweg, der Bassmann hat einen Löffel im Mund, macht einen finsteren Blick. Die Luftpostoptik für die Hülle hat sich Borg ausgedacht. Die Kritzeleien auf dem vermeintlichen Umschlag sind von mir.
    In das Tassenbild schreibe ich meinen Namen. Das Autogramm sieht unprofessionell, zu klein, verschnörkelt und verloren aus. Ich habe keine Übung. Der Vogeljunge wünscht uns einen schönen Abend.
    Wir lassen uns vom quasselnden Menschenstrom zurück in die nachtaktiven Teile der Innenstadt schwemmen, wo der Clublärm auf die Straßen schwappt, wo die Leuchtstoffröhren blinken.
    »Passiert dir so was öfter? Autogramme und so?«, fragst du mit einem süffisanten Lächeln.
    »Auf Konzerten schon. So in der Öffentlichkeit war’s das erste Mal«, sage ich.
    Ich mache mich von dir los. Trabe ein paar Schritte voraus. Wie durch eng stehende Bambushalme schlängle ich mich durch die Partygänger. Ich verdränge einen Gedanken an Damlas runde Hüften. Wo immer der plötzlich herkommt. An das seidige Braun ihrer Haut. Dabei habe ich diese Hüften nie gesehen. Es ist ein Fantasiebraun, eine Fantasiehüfte, die mir da vorschweben.
    Letztlich landen wir im Fairy Club. Mein Körper geht sofort in Symbiose mit der Musik, es ist, als würde ich ein paar Pfund leichter, als hafteten meine Sohlen hier besser als in anderen Clubs. Mein Blick schweift an den Reihen aufgespießter Schmetterlinge entlang. Ich mag sie, auch wenn sie nicht mehr flattern. Immer wieder peilst du mich über deinen Drink hinweg an. Vielleicht war dir entfallen, wie obsessiv ich tanze. Wie sehr ich mich beim Tanzen vergesse. Mich zu vergessen scheine. In Wirklichkeit bin ich mir jedes Dehnens und Spannens, jedes Zuckens und Flatterns meiner Muskeln bewusst. Ich inszeniere dein persönliches Staatsballett, bin deine Zirkusballerina, springe, falle, die Musik fängt mich auf. Sie trägt mich, bebt, ich turne an ihren schwirrenden Stahlseilen. Im Grunde ist alles wie immer.
    Ich pflücke dich von der Bar, als ich außer Atem bin. Wir gehen nach draußen, wo es kühl ist. Gehen den Weg zum Bahnhof, bleiben auf der sechsspurigen Brücke stehen, genau in der Mitte, betrachten die Gleise, die Stahlstreben der Bahnhofshalle, die altmodischen Laternen. Ich erzähle dir vom Künstlerhof, von Oliver, von der Fotografin, die Portraits von mir machen will, vom Bassmann und wie er mich zurechtgewiesen hat.
    Wir schlendern weiter an den See. Ich setze mich ans Ufer und streife meine Sandalen ab. Jede dritte Pappel am anderen Ufer hat rotgoldene Blätter vom Straßenlaternenlicht. Auf unserer Seite ist es dunkel. Ich vergrabe meine Zehen im Sand, im Schlick, im Dreck. Du setzt dich ebenfalls. Deine Hand nähert sich meiner, ein vorsichtiges Krokodil. Irgendwann beginnt es, mit meinem kleinen Finger zu spielen, mit meinem Ringfinger. Ich lasse es in meine Handfläche kriechen. Eine der Laternen am anderen Ufer flackert. Vom See plätschert es leise. Zittergras berührt meine Schenkel. Hin und wieder ein musikalisches Plopp, wenn ein Fisch aus dem Wasser springt.
    Deine Finger sinken wie eine Reihe langer Zähne in meine Hand, gleiten in die Kuhlen zwischen meinen Mittelhandknochen. Ich erwidere den Druck. Will es hinter mich bringen. Will wissen, ob ich den Damlaficker noch ficken kann. Ob ich es genieße. Ob du noch du bist. Und vor allem, ob ich noch ich bin.
    Dein Schwanz schwillt mir entgegen. Ich nestle am Knopf deiner Hose. Du wirfst einen

Weitere Kostenlose Bücher