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Schüchternheit der Pflaume

Schüchternheit der Pflaume

Titel: Schüchternheit der Pflaume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Kanzler
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mich zu, sirrt, wird lauter, ihre gehärtete Spitze bleibt zitternd im Boden stecken, »und was ist, wenn ich mal du sein will?«
    Ich schweige.
    Plötzlich will ich dich fragen, ob Damla Kinder will. Ob du sicher bist, dass du der potentielle Vater fetter Feinkostsäuglinge bist. Will das Gespräch aufreißen. Sein zivilisiertes Gesicht verwüsten. Dir unterstellen, dass du nicht selber denken kannst. Dich an die Wand stellen. Mit Messern werfen. Ich sehe Damlas rundes Schulterfleisch. Ich sehe deine sehnigen Hände im Genickfell der Katze, die nicht auf Bäume klettert. Du hast sie ganz im Griff.
    »Bist du noch dran?«, fragst du in meine Flauheit hinein.
    Ich wische die Damlabilder weg. Bleibe bei deiner Stimme.
    »Bist du noch da?«, wiederholst du.
    »Ja«, sage ich.
    »Oder hab ich dich verloren?«
    Das Raue deiner Stimme reibt an mir. Ich bin da. Denke ich. Ich bin da. Das Sagen fällt schwerer.

Laufmasche
    Ob du das kennst, frage ich mich. Eine fixe Idee zu haben. So sehr von ihr bestimmt zu sein, dass du, solltest du sie vergessen, noch stundenlang in die Leere starrst, die sie hinterlassen hat. Dass du nichts tun kannst als starren und starren, in deinen Kaffeebecher, aus dem Wagenfenster. Immer wieder die Überlegung, dass die Idee verdammt gut gewesen sein muss, wenn sie sogar vergessenerweise solchen Einfluss auf dich hat.
    Die Idee hatte etwas mit meinem Leben zu tun. Mit der Musik, mit dir, den Göttern. Es war eine gute Idee. Ich vermisse sie. Hänge ihr nach. Fahnde nach ihr, überall, was in diesem Fall nicht weit ist. Wo soll ich eine Idee schon suchen. Bleibt ihr verwässerter Nachgeschmack. Ich kann nur weiter über die Leere nachgrübeln, als hätte ich eine Laufmasche im Kopf.
    Als mich der Bassmann in der Goldlaube abliefert, stoße ich die Haustür auf und sauge den holzigen Geruch des Treppenhauses ein. Das Sichauflösen meiner Gedanken muss ein Ende haben. Die altmodische Kristallschale, in der Borg seine Schlüssel sammelt, glitzert mir entgegen. Oben, denke ich, wartet meine Teelöffelsammlung auf mich, mein Weltuntergangszimmer, mein Zwölfkissenbett.
    Borg röstet etwas Brot, wärmt mir einen Teller Suppe auf und begleitet mich auf die Dachterrasse. Er streift einen grauen Troyer über. Der Wind ist kühler geworden. Borg stellt mir Fragen, hört sich ein paar Künstlerhofgeschichten an und zwirbelt an den Enden eines Schifferbarts, den er sich wachsen lassen will. Er berichtet, dass Lora sich mit Matti gestritten habe und ausgezogen sei. Eines Nachts seien Gläser geflogen.
    Als ich in der Küche die Teller wegräume, Tee koche, hält mir Borg ein grünes Stofftier unter die Nase. Er lässt es wippen und tanzen. Es seien wieder einige auf Halde, sagt er, die müssten bald ausgetragen werden. Er habe neue Kunden in einem Gebiet, das eigentlich jemand anders beliefere, deshalb dürfe keiner davon Wind kriegen. Ich müsse das machen. Ihn kenne man inzwischen zu gut. Ich nicke.
    Später beginnt die Nachmittagssonne die Wolken zu perforieren. Ihr Licht siebt in feinen Fädchen auf die Stadt herunter. Ich mache mich auf den Weg. Husche von Sonnenfleck zu Sonnenfleck. Bringe zwei grüne, zwei blaue und ein rotes Stofftier an ihre Bestimmungsorte. Balanciere auf Bordsteinkanten. An einer Straßenecke bleibe ich stehen und pflücke die Musik aus meinen Ohren. Ein satter Bassloop klingt in meinem Kopf nach, wiederholt sich alle elf, zwölf Schritte, als ich weitergehe. Ich gehe nicht direkt zu dir, flaniere weiter Richtung Norden, überquere die Bahnlinien statt des Bachs. Nicht einschlafen, Laufmaschenkind, murmle ich, barfuß, immer barfuß, und anderes wirres Zeug. An den windigen Kreuzungen meines Lebens führe ich Selbstgespräche, Schritt für Schritt für Schritt, murmle ich weiter, federleicht, Schwanzschwester, ich komme. Ein Hund heftet sich an meine Waden, schnüffelt, ein herrenloser Schnauzer. Den lächle ich an, freundlicher als jeden Menschen.
    Das Messingschild in der Paradiesgasse vier ist frisch poliert. Feinkost Dilber. Ich lehne an einem verrosteten Fahrradständer gegenüber, meine Augen streifen über die Auslagen links und rechts der Eingangstür, braunrot schillernde Essigflaschen, getrocknete Pilze und Kirschkonfitüre. Drinnen hängen Kronleuchter und Kräutersträuße von der Decke, eine Frau mittleren Alters bedient eine Kundin.
    Der Hund ist immer noch mit meinem Rocksaum beschäftigt. Manchmal stupst seine nasse Schnauze an mein Bein, ich mag das Gefühl. Sein

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