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Schüchternheit der Pflaume

Schüchternheit der Pflaume

Titel: Schüchternheit der Pflaume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Kanzler
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schwarzer Zottelkopf, ich strecke die Hand danach aus. Vergesse darüber beinahe den Feinkostladen. Als ich wieder aufblicke, wird drüben eine große Papiertüte über die Ladentheke gereicht. Die Kundin bezahlt, lacht, bleibt auf ein Schwätzchen. Sie nickt beim Zuhören unentwegt. Streicht mit zehn goldberingten Fingern über die Papiertüte. Das Stupsen an meinem Bein hat aufgehört. Sattgeschnüffelt und schneller, als mir lieb ist, tappt der Schnauzer davon.
    Die Kundin mit den Goldringen verlässt den Laden. Ich gehe über die Straße. Das Kopfsteinpflaster nimmt meine Schritte hart entgegen. Keine Ahnung, was ich hier will.
    Als ich über die Schwelle trete, bemerke ich, dass in der Weinecke zwei weitere Kunden stehen, der eine trägt einen Fotoapparat, der andere eine Schildkappe, Touristen. Eine junge Frau betrachtet die Einmachgläser mit Oliven und Pesto. Der Geruch von Kaffee, Petersilie und frischem Fisch hängt in der Luft.
    »Ich schau mich mal um«, sage ich, als die Verkäuferin mir erwartungsvoll entgegenblickt.
    Mitten im Raum steht ein Tisch, auf dem verschiedene Silberbestecke ausliegen. Wahrscheinlich verkaufen sie die auch. Ausgefallene Salatsorten lagern in einem Kühlregal. Zwischen Limetten und Zitronen flammt mir signalfarbenes Pink entgegen. Drachenfrüchte, aufgestapelt in einem Korb, ich berühre ihre wildwüchsige Schale. Schließlich studiere ich die Form des Verkaufsraums, seinen fleckigen Linoleumboden, die Kronleuchter. Während ich so tue, als würde ich die Beutelchen mit Saatgut durchsuchen, linse ich durch die Tür hinter der Ladentheke. Außer einem gefliesten Flur, in dem Pappkartons, Holzstühle und ein Telefontisch stehen, kann ich nichts erkennen. Der Duft von Mandelseife steigt mir in die Nase. Instinktiv greife ich zu.
    Der Quader lässt sich bequem in einer Hand drehen. Er ist mit braunem Seidenpapier umwickelt, eine lindgrüne Banderole verrät in kalligrafischer Schrift den Inhalt. Ich gehe damit zur Kasse. Die Verkäuferin berät gerade am anderen Ende des Ladens, zwei Weinflaschen in der Hand, das Touristenpaar. Ich warte und drehe ein paar Münzen in den Fingern.
    Im Flur hinter der Ladentheke werden plötzlich Schritte laut. Noch bevor ich ihren Umriss sehe, weiß ich, dass es Damla ist, erkenne den beschwingten Gang. Sie kommt mit gesenktem Kopf durch die Tür. Hebt mit professioneller Freundlichkeit den Blick. Gefriert.
    Ich lege die Seife vorsichtig auf die Ladentheke. Daneben die Münzen. Sie sind abgezählt. Damla rührt sie nicht an. Dreht auf dem Absatz um und klappert im Staccato davon.
    Eine Weile bleibe ich stehen und starre in den Flur, in dem Damla verschwunden ist. Die Tür dorthin fällt allmählich zu. Erst sehe ich die Pappkartons nicht mehr, dann verschwinden die Holzstühle, zum Schluss der Telefontisch. Die Tür quietscht nicht beim Zufallen, knarrt nicht, sie schwingt widerstandslos zu, vielleicht ist es ein Luftzug, der sie zuzieht. Ich bezwinge den Impuls, hinter die Ladentheke zu laufen, die Tür aufzufangen, meinen Fuß in den Spalt zu stoßen.
    Bleibt die Mandelseife, die mich anduftet. Das Rankenmuster auf der lindgrünen Banderole beginnt vor meinen Augen zu tanzen. Ich sollte gehen. Ich frage mich, ob ich auf die Verkäuferin warten soll. Sie ist immer noch mit den Touristen beschäftigt. Schließlich nehme ich die Seife, lasse das Geld einfach liegen und gehe.
    Ich passiere die Türschwelle, das Messingschild, den Fahrradständer und erwarte, dass mich gleich jemand von hinten anschreit, mich aufhält. Aber nichts dergleichen geschieht. Unbehelligt verlasse ich das fremde Territorium. Meine Zunge tippt noch immer von hinten an die Zähne, wie um Damlas Namen zu sagen. Vielleicht hätte ich ihr nachrufen sollen, nur was, frage ich mich. Wie schnell sie weg war. Hätte nicht ihr kräftiges Parfum die Petersilienluft, den Fischgeruch, den Mandelduft durchschnitten, hätte ich die Erscheinung vielleicht für ein Hirngespinst gehalten, hätte ich vielleicht bezweifelt, sie wirklich gesehen zu haben.
    Ich weiß nicht, warum der Feinkostladen mich angezogen hatte wie ein überreifer Apfel die Amseln. Bestimmt vermutet Damla eine Absicht hinter all dem, eine Intrige, einen Plan. Ich habe keinen. Mein Besuch passierte mir genauso wie ihr. Ich verlangsame meine Schritte, bemerke, dass ich immer noch die Mandelseife umklammere. Lockere meinen Griff. Wie Regen, denke ich, wie Wind, wie Wetterleuchten. Ich bin wie ein Sturm, nicht für oder gegen

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