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Schüchternheit der Pflaume

Schüchternheit der Pflaume

Titel: Schüchternheit der Pflaume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Kanzler
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diskutieren unsere Zukunft, deine geschäftliche, meine musikalische.
    »Ich liebe dich«, sagst du unvermittelt.
    Ich esse die letzten Bissen meines Stehfrühstücks. Ich küsse deine Mandelseifenhände und mache mich aus dem Staub. Tage, die so perfekt anfangen, machen mich immer skeptisch.

Tempranillo
    In der Goldlaube finde ich Saskia. Mit einem Monalisalächeln sitzt die Studentin im Wohnzimmer. Der rote Sofastoff leuchtet im Kontrast zu ihrem Haselkopf. Plötzlich kommt Matti ins Zimmer und gibt ihr einen Kuss. Wie angewurzelt bleibe ich im Türrahmen stehen. Habe ich mich verguckt, oder hat sich der alte Windhund tatsächlich an meiner Freundin vergriffen. Zwei Sekunden später ist er wieder in der Küche verschwunden. Saskia begrüßt mich freudig.
    Sie sei vor vierzehn Tagen hier vorbeigekommen. Habe nur kurz klingeln wollen. Hallo sagen. Ich sei nicht da gewesen, aber Matti habe ihr aufgemacht, Kaffee angeboten und so weiter. Sie hätten sich dann noch zweimal getroffen, und na ja. Aus ihrem Unschuldslächeln schließe ich, dass die Geschichte mit Lora völlig an ihr vorbeigegangen ist. Ich halte die Klappe. Nur hin und wieder, wenn Saskia nicht hinschaut, schiele ich stirnrunzelnd auf Mattis Arsch in der Küche. Der Mistbock rührt in einem Topf und tut, als wäre nichts.
    Hat er sich diesmal ja ein richtiges Goldstück geangelt. Sanft und lieb und süß wie eine Mandarine. Hat sie mir vor der Nase weggeangelt, denke ich. Nicht dass ich spezielle Pläne mit Saskia gehabt hätte, aber irgendwie gehörte sie mir. War meine Entdeckung, meine Mandarine. Lora war eher eine Limette, weniger süß, aber zu viel zu gebrauchen. Streng genommen war Lora auch meine Entdeckung. Matti frisst mir die Frauen aus der Hand, denke ich. Frisst sie mir weg und spuckt ihre ausgelutschten Teile irgendwo im Großstadtdschungel wieder aus. Dass Saskia sich so einfach fressen lässt, verblüfft mich allerdings. Unter ihrer Hornbrille leuchtet eine närrische Begeisterung. Wo ist ihre Vorsicht, denke ich, der Bedacht, die vornehme Odaliskenhaltung hin.
    Matti trägt ein dampfendes Etwas ins Zimmer.
    »Hast du ja fein hingekriegt. Meinen Besuch abschöpfen, während ich weg bin.«
    »Schicksal«, sagt er und lacht.
    Saskia lacht auch und wirft mir einen verschwörerischen Blick zu. Ich lasse die beiden allein. Wird eben Matti ihren Kopf am Haselhaar fassen. Und nicht ich. Wird eben Matti herausfinden, welche Beleidigung sie am härtesten trifft. Wofür sie lebt, wer sie ist. Falls ihn das überhaupt interessiert.
    Ich stolpere die Treppen hoch, nehme zwei Stufen auf einmal, vorbei an Loras Exzimmer, vorbei an Mattis Liebesnest. Ich denke an Mandarinen und Limetten und dass ich vielleicht die Blutorange bin. Naranja de sangre. Energisch schließe ich die Tür hinter mir ab.
    Ich rufe Blaum an. Er klingt überrascht, sein angenehmer Bariton, Muskatnussstimme. Wie geht es dir, fragt er, wo warst du. Kann leider nicht lange reden, sagt er, Verabredung, neue Kollegin in der Personaletage, Doktorandin aus der Schweiz. Na gut, sagt er. Freue mich, sagt er. Bis bald. Ich schiebe das Telefon zurück an seinen dunklen Fleck unterm Clubsessel.
    Meine Gitarren warten schon auf mich, die Rote empfängt mich mit eifriger Bereitwilligkeit, die Schwarze bekommt frische Saiten. Ich spiele die neuen Songs rauf und runter. Wie eine Besessene übe ich, halsstarrig, wie in meiner Schulzeit. Wenn etwas geklappt hat, spiele ich es noch mal, wenn ich einen Fehler mache, beginne ich von vorn. Ich vergrabe mich so tief in den Saiten, dass ich nicht bemerke, dass plötzlich jemand vor mir steht. Die schwarzen Augen funkeln, ich schrecke auf. Es ist Lora. Ob ich wieder bei diesem Typen gewesen sei, diesem Fender, fragt sie. Ich bejahe. Sie schneidet eine Grimasse, während sie ihr Haar zu einem straffen Zopf bindet. Ihre Züge verziehen sich ein Stück zu weit, die Augenwinkel rutschen nach hinten. Irgendwas stimmt mit ihrem Gesicht nicht. Was soll die Scheiße, sagt sie, das ist emotionaler Selbstmord. Ich will mich nicht rechtfertigen. Irgendwas sagen will ich trotzdem. Ich will fragen, was sie hier will, warum sie sich in mein Zimmer schleicht. Aber bevor ich den Mund aufbekomme, verschiebt sich Loras Grimasse noch weiter. Genauer gesagt zerteilt sie sich. Loras Gesicht spaltet sich einmal quer und einmal längs. In vier Fleischklumpen fällt sie auseinander. Es sieht schlimm aus.
    Bevor ich ernsthaft die Nerven verlieren kann, klingelt das Telefon,

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