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Schützenkönig

Schützenkönig

Titel: Schützenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Jäger
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Elisabeth knowte es nicht, aber sie wusste, dass etwas Interessantes in der kleinen Dose sein musste, es klapperte darin.
    »Du hast sein Lächeln.« Marthas Stimme war plötzlich ganz weich.
    »Ich lächle doch gar nicht«, blaffte Viktoria.
    »Aber du hast es getan, als du dem kleinen Mädchen eine Maus gezaubert hast. Das hat er dir beigebracht. Er wäre ein so guter … Er war ein so guter Vater.«
    »Ein Vater, der sich vor meinen Augen erhängt hat.« Viktoria wollte ihn nicht mögen, schon gar nicht lieben oder um ihn trauern. »Wenn ich es richtig verstanden habe, konnte er sich einfach nicht entscheiden. Er wollte mich nicht verlieren, wollte aber auch nicht mitkommen. Also hat er Schluss gemacht, statt in den Zug zu steigen.«
    »Ja, er hat Schluss gemacht.« Martha schaute Viktoria mit sanften Augen an.
    Viktoria fühlte sich wieder wie Viktoria. Sie wurde wütend. »Er hat sich verpisst. Hat einfach einen Strick um seinen Hals gelegt und alle Menschen, die ihn liebten, unglücklich gemacht.«
    »Ja, er hat alle unglücklich gemacht.« Martha klang immer noch sanft.
    Viktoria wurde noch wütender. »Was ist mit Ihnen? Sie müssen doch wütend gewesen sein auf ihn. Er betrügt Sie, kriegt mit einer andern ein Kind, und dann erhängt er sich in Ihrem Garten – damit Sie das Bild auch nie aus Ihrem Kopf bekommen. So wie ich. So wie meine Mutter. Er wollte in unsere Hirne, er wollte sich unsterblich machen. Und ich krieg ihn jetzt nicht mehr raus. Verdammte Scheiße.«
    Martha zuckte zusammen. »Es tut mir leid.«
    »Wieso tut es Ihnen leid? Er ist schuld. Er hat Schluss gemacht, er hat uns als letzten Gruß seine Leiche präsentiert. Gute Fahrt nach Berlin, tut mir leid, dass ich nicht winken kann.«
    Martha stand auf und schlurfte langsam in einen Raum neben der Küche. Viktoria hörte eine Schublade, hörte die Bodendielen knarzen, und dann sah sie die Fotos in Marthas Hand. Martha legte sie ganz vorsichtig vor Viktoria auf den Tisch. Eines neben das andere. Viktoria erkannte ihn sofort. Bernie. Er hielt sie im Arm, es muss kurz nach der Geburt gewesen sein, so klein war sie da noch. Sie an seiner Hand. Im Hintergrund ein See. Dann keine Landschaft, sondern nur zwei Gesichter. Ihres und seines, Wange an Wange, Lachen an Lachen. Martha tippte mit dem Finger auf das Bild. »Sein Lächeln, sag ich doch.«
    Viktoria nickte, sprechen konnte sie nicht. Sie strich mit dem Zeigefinger über die Fotos.
    »Er hat Schluss gemacht«, sagte Martha. »Aber nicht mit sich selber. Mit mir.«
    Viktoria schaute die Alte an.
    Martha senkte den Blick und sagte: »Deshalb habe ich ihn gestoßen.«
    Elisabeth Upphoff setzte sich an einen der Biertische und schüttete den Inhalt der kleinen Dose auf die weiße Papiertischdecke. Sie wusste sofort, was sie vor sich hatte. Die kleinen Kügelchen waren Munition. Was sollte das? Sie faltete den Zettel, der offensichtlich vorher um die Dose gewickelt worden war, auseinander. Zeugenaussage von Tim Möcke , stand da. Das ist der kleine Frechdachs mit den süßen Locken, dachte sie. Der, der hier vorhin aus dem Zelt gerast ist. Könnte auch mal ein bisschen an seiner Schönschrift arbeiten. Elisabeth las. Und sie begriff. Sie tastete in ihrer Handtasche nach dem Autoschlüssel. Als sie aufstand, sah sie Tim Möckes Eltern beim Foxtrott. Der Junge ist allein zu Hause, dachte sie. Der arme Junge.
    Sie hatte sich die Ohren zugehalten. Nichts hören wollte sie von dem, was er sagte. Nichts. Doch Bernhard Lütkehaus nahm in jener Nacht vor fast dreißig Jahren die Hände seiner Frau und hielt sie ganz fest.
    »Martha, versteh doch. Ich habe ein Kind und ich kann es nicht alleine lassen.«
    »Ich weiß, dass du ein Kind hast.«
    »Du weißt …?«
    »Für wie dämlich hältst du mich?« Martha riss sich von ihm los. »Ich habe es von Anfang an gewusst. Ich wusste es schon, als ihr es gemacht habt.«
    Bernhard starrte sie an. »Du hast nichts gesagt. Wie konntest du, wie hast du …?«
    »Wie ich es ertragen habe? Gar nicht! Aber ich bin deine Frau und du bist mein Mann, und daran ändert auch so eine Schlampe nichts. Und auch kein Bastard. Ich hätte es töten sollen, dieses kleine Ding. Ich hätte es tun können, doch leider habe ich es schlafen lassen im Kinderwagen, den diese Püppi hier ständig rumkutschiert hat und einfach so stehen ließ. Hinterm Gasthaus, während sie sich an der Theke von den Männern hat anglotzen lassen. Ich hatte meine Hand schon an dem kleinen Hals – und ich

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