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Schuld: Drama (bis Mitte Juni 2013 kostenlos)

Schuld: Drama (bis Mitte Juni 2013 kostenlos)

Titel: Schuld: Drama (bis Mitte Juni 2013 kostenlos) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay S.
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es Vermisstenfälle, die Ihnen besonders zu denken gegeben haben?“
     
    „Ja, da gibt es einige. Zum Beispiel der Fall von Frank Meier. Er ist auf einer Familienreise in den Bergen mitten in der Nacht spurlos verschwunden. Während zehn Jahren hat seine Familie nach ihm gesucht. Er hat zwei Kinder und seine Frau zurückgelassen. Dann eines Tages, kam durch einen Hinweis aus dem Ausland die Wahrheit ans Licht. Er hatte alles nur inszeniert und ist in Thailand untergetaucht, ohne irgendeine Nachricht zu hinterlassen. Tatsächlich kommt das immer wieder vor.“ 

    „Finden Sie es moralisch vertretbar, wenn jemand einfach durchbrennt und die Familie zurücklässt?“
     
    „Das kommt immer auf die Situation an und wie jemand geht. Wenn wenigstens ein Brief hinterlassen und dafür gesorgt wird, dass die Familie nicht in finanzielle Nöte gelangt, ist das natürlich etwas anderes, als wenn jemand einfach wortlos abhaut.“
     
    „Wie sieht es mit Entführungen aus?“
     
    „Hierzulande sind Entführungen im Verhältnis zu der Gesamtzahl an Vermisstenfällen sehr selten. Leider vergeht dennoch kein Jahr, in dem nicht mindestens zehn Menschen entführt werden.“
     
    „Wie gehen diese Fälle in der Regel aus?“ 

    „In durchschnittlich acht von zehn Fällen gehen die Entführungen glimpflich aus. Erstaunlich ist der hohe Anteil an Entführungen innerhalb der Familie. Oft sind es Familienväter, Männer wie Sie und ich, die ihre eigenen Kinder entführen.“
    Seine Stimme scheint sich irgendwie zu verändern. Vielleicht bilde ich es mir auch nur ein…
     
    „Was sind die Gründe dafür?“, frage ich nach einer kurzen Pause. 

    „Meistens liegt es an Sorgerechtsstreiten zwischen den Eltern. Es ist immer noch so, dass Männer in diesem Punkt sehr häufig benachteiligt werden.“
    Ich merke, dass wir vom Thema abkommen und so entscheide ich mich, zur nächsten Frage zu gehen.
     
    „Von den aufgelösten Fällen; wie steht das Verhältnis zwischen Unfällen und anderen Unglücken?“
     
    “Die meisten Fälle, die aufgelöst werden, nehmen ein positives Ende. Doch in etwa einem Drittel der Fälle können die Vermissten nicht mehr lebendig geborgen werden. Es sind jene, die in den Bergen in die Tiefe stürzen, von Lawinen oder Steinschlägen erfasst werden, sich verlaufen. Dann gibt es noch jene, die wegen geistiger Verwirrung, auch Dissoziation genannt, verschwinden. Die meisten davon werden lebendig aufgefunden.“
     
    „Und wie sieht es mit Suiziden aus?“
     
    „Suizide haben hier eine traurige Bilanz. Wenn man die vergangenen zwanzig Jahre betrachtet, ist die Tendenz leider stark steigend.“
     
    Mein Unbehagen, welches ich schon vor dem Betreten des Hauses hatte, entwickelt sich mehr und mehr zu einem unerträglichen, an Übelkeit grenzenden Gefühl, im falschen Film zu sein. Kann Schlafmangel wirklich so zerstörerisch sein?
    Ich beschließe, das Interview zu beenden.
     
    „Vielen Dank für Ihre ausführlichen Antworten, Herr Rosser.“, sage ich, stoppe die Aufnahme und frage: „Wären Sie eventuell bereit zu einem weiteren Interview, falls mir noch was schlaues in den Sinn kommt?“
    „Sicher doch.“, antwortet Rosser lächelnd.
    „Vielen Dank.“
    „Nichts zu danken. Sie sehen ein bisschen blass aus. Geht es Ihnen gut?“, fragt Rosser mit einem Unterton, der wahrscheinlich besorgt klingen sollte, doch in meinen Ohren hört es sich gestellt an.
    „Es geht schon, danke. Ich werde dann mal gehen.“ sage ich und versuche, dabei möglichst normal zu klingen. Rosser schaut mich skeptisch an und fragt: „Sie finden aber schon noch nach draußen? Oder soll ich Sie lieber begleiten?“
    Meine Antwort verlässt meinen trockenen Mund mit ein paar Sekunden Verzögerung, was Rosser zusätzlich stutzig zu machen scheint. 
    „Nein, nein, lassen sie nur. Ich bin nur ein wenig erschöpft.“ Ich stehe auf und halte ihm die Hand entgegen. Er tut es mir gleich und beschert mir einen übertrieben kräftigen Händedruck, schaut mich eindringlich an und sagt: „Vielen Dank für Ihr Interesse. Und schonen Sie sich ein wenig.“
    Ich weiß nicht, ob ich mich für den Rat bedanken soll oder nicht und so belasse ich es bei einem knappen Nicken, verlasse den Raum und schließe die Tür hinter mir.
     
    Während ich langsam die alte Treppe hinuntersteige, versuche ich mir meinen Zustand irgendwie zu erklären. Vielleicht sollte ich in Zukunft wirklich mehr schlafen und weniger arbeiten.
    Als ich im

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