Schuld währt ewig
Notarztwagen. Die Busse des SEK erreichten im selben Moment den Parkplatz. »Ich brauche einen Arzt. Aber pronto«, rief er hinunter.
Der Einsatzleiter der Feuerwehr hob ein Megafon an den Mund. »Ist schon unterwegs. Ihre Kollegen bringen ihn rauf.«
Ulrike Rodewald lag zusammengekrümmt wie ein Embryo auf dem Boden und wimmerte. Susanne Möbus rappelte sich auf. Schwankend kam sie auf die Beine.
Regen fiel unaufhörlich. Es war zu Ende.
88
Kurz vor fünfzehn Uhr stoppte Dühnfort vor einem Hochhaus in Neuperlach. Nur zehn Gehminuten von dem Reihenhaus entfernt, in dem Ulrike Rodewald mit ihrem Mann zehn Jahre lang gelebt hatte.
Gina schlug die Beifahrertür zu. Alois stieg aus seinem Mini. Zu dritt fuhren sie mit dem Lift nach oben.
Bis die Fälle gerichtsfest waren, gab es noch jede Menge Arbeit. Vier Tote. Jede Tat musste ihr nachgewiesen werden.
Die Formulare, mit denen sie den Honda aus Warschau bekommen würden, waren ausgefüllt und übersetzt. Eine erste Vernehmung Ulrike Rodewalds lag hinter Dühnfort. Er hatte sie auf der Krankenstation im Gefängnis Stadelheim geführt.
Der Auslöser für die Morde war tatsächlich die Scheidung gewesen. Anderthalb Jahre hatte Ulrike sie hinausgezögert, im Glauben, Arno würde zu ihr zurückkehren. Bis zuletzt hatte sie das gehofft, bis der Richter die Ehe als geschieden erklärt und Arno Arm in Arm mit seiner Freundin das Gericht verlassen hatte. Eine Art Damm musste in ihr gebrochen sein, der bis dahin all diesen Hass zurückgehalten hatte. Danach hatte es kein Halten mehr gegeben. Sie war aus dem Gericht gestürmt und zu ihrem Auto gerannt. Doch das streikte.
Die Schlüssel fürs Haus besaß sie noch. Ein Taxi brachte sie dorthin, sie holte Arnos Honda aus der Garage und fuhr nach Zorneding, um endlich abzurechnen. Doch das eigentliche Ziel ihrer Rache, Karl Oberhausner, war verstorben. Sie kam zu seiner Beisetzung. Ihr Rachedurst blieb ungestillt. Die über Jahre angestaute Wut suchte ein Ventil.
Der Lift erreichte die achte Etage. Dühnfort zog Ulrike Rodewalds Wohnungsschlüssel hervor und öffnete die Tür. Müllgeruch schlug ihm entgegen. Er machte Licht. Plastiktüten voller Abfälle lagen im Flur und in der Küche. Alois hielt sich die Hand vor die Nase. »Toller Saustall.«
Ein Zimmer. Küche. Bad. Balkon.
Woher kannte Ulrike Flade? Hatte sie die Tat geplant, oder war sie im Affekt erfolgt? Die Klärung dieser Fragen würde entscheiden, ob sie in seinem Fall wegen Mord oder Totschlag angeklagt wurde. In dieser Wohnung waren Antworten zu finden. Auch für die Mordfälle Oberdieck, Hasler und Voigt.
Wie war Voigt auf Ulrike gekommen? Der Honda war auf Arno zugelassen. Folgerichtig musste Voigt seinen Erpressungsversuch bei Arno gestartet haben und nicht bei Ulrike.
»Na, was grübelst du?« Gina strich ihm über die Falten an der Nasenwurzel.
Er liebte diese Geste. Ihre kühlen Finger an seiner Haut. Er liebte auch diesen Blick. »Ich frage mich, wie Voigt auf Ulrike gekommen ist. Er muss mit Arno Kontakt aufgenommen haben. Der Wagen war auf ihn zugelassen.«
»Gute Frage. In ihrer Vernehmung hat sie doch zugegeben, dass sie noch die Schlüssel zu Arnos Haus hat und der größte Teil ihrer Sachen noch dort ist. Vielleicht war sie da, um etwas zu holen, als Voigt angerufen hat.«
»Genau in diesen Minuten? Das wäre schon ein arger Zufall.«
»So etwas passiert. Außerdem … so durchgedreht wie die ist, würde ich ihr zutrauen, dass sie jeden Tag Stunden im Haus verbracht hat, um ihrer kaputten Ehe nachzutrauern. Schließlich war sie ständig krankgeschrieben und seit Wochen nicht bei der Arbeit. Wir werden es herausfinden.«
Ginas Überlegung schien ihm plausibel. Wieder einmal war er zu ungeduldig. Morgen würden sie mehr wissen.
Ulrike Rodewald war geständig. Sie würden Antworten auf alle Fragen erhalten. Ihr Anwalt forderte eine psychiatrische Untersuchung. Leyenfels, mit dem Dühnfort wegen des Abzugs der Personenschützer aneinandergeraten war, hatte nichts dagegen.
Leyenfels hatte sich dahinter verschanzt, dass noch immer die Staatsanwaltschaft Herrin des Verfahrens war und entschied, welche Mittel eingesetzt wurden. Schließlich hatte zum Zeitpunkt des Abzugs der mutmaßliche Täter in Haft gesessen. Es hatte keinen Grund gegeben, weiter unsinnige Kosten zu verursachen.
Mutmaßlich. Genau. Wir konnten nicht sicher sein. Dein Geiz hätte Susanne Möbus beinahe das Leben gekostet, hatte Dühnfort Leyenfels angeblafft.
»Seht euch
Weitere Kostenlose Bücher