Schuld währt ewig
zurück.
»Nein. Eine Sache noch.« Heigl lehnte sich zurück. »Es gibt eine Anfrage vom LKA . Man würde dich gerne ausleihen. Für ein Jahr.«
Dühnfort war überrascht. »Welche Abteilung?«
»Die OFA . Boos hat dich empfohlen. Eine seiner Mitarbeiterinnen geht in Mutterschutz und dann in Elternzeit. Bis sie zurückkommt, ist auch die neue Planstelle durch. Wenn es dir dort gefällt, könntest du dauerhaft wechseln. Wenn nicht, kommst du wieder zu uns. Du bist gut, meint Boos. Finde ich auch, und deshalb wäre es mir lieber, wenn du bei uns bleibst. Andererseits …«
Fallanalyse. Täterprofile erstellen. Sich in die Gedanken- und Gefühlswelt eines Täters einzufühlen, einen Tatablauf so präzise wie möglich zu rekonstruieren und zu interpretieren, das hatte durchaus seinen Reiz. »Andererseits?«
Heigl beugte sich vor. »Tino, wir sind nicht blind und taub. Dass zwischen dir und Gina eine Beziehung besteht, ist natürlich im Haus aufgefallen. Dass das dienstrechtlich gesehen problematisch ist, muss ich dir hoffentlich nicht erklären. Ihr solltet beruflich und privat langsam mal auseinanderdividieren. Sie hat ein Angebot von Thomas Wilzoch, habe ich gehört. Also entscheidet euch. Im Weihnachtsurlaub habt ihr Zeit dazu. Danach will ich wissen, ob Gina künftig Altfälle bearbeitet oder du zur OFA gehst.«
»Gut.« Dühnfort stand auf.
»Und zur Pressekonferenz kann ich dich nicht überreden?«
»Nein.«
»Ich könnte dein Erscheinen anordnen.«
»Dann tu das.«
Heigl zuckte die Schultern. »Und du bist dann in einer dringenden Angelegenheit außer Haus.«
»Könnte passieren.«
Heigl lächelte. »Also gut.«
90
Sanne lag in der Badewanne. Bereits zum dritten Mal ließ sie heißes Wasser nachlaufen, und trotzdem fror sie noch immer. Die Kälte hatte sich in ihren Körper gefressen und wollte sich nicht vertreiben lassen.
Einzig ihr Kopf glühte. Der tobende Schmerz war durch drei Paracetamol einigermaßen gebändigt. Die Platzwunde am Hinterkopf hatte der Notarzt versorgt, der sie zur Beobachtung ins Krankenhaus schicken wollte. Sie hatte sich geweigert. Sie wollte heim. In sichere vier Wände, in Ruhe und Abgeschiedenheit. Zu Herrn Kater. Doch dann fiel ihr ein, dass er tot war. Uli hatte ihn umgebracht. Hemmungslos hatte sie geheult und sich wie ein hysterisches Kind aufgeführt, bis Niklas die Sache in die Hand genommen hatte. Ich kümmere mich um sie. Wenn sich ihr Zustand nicht stabilisiert oder verschlechtert, bringe ich sie ins Krankenhaus. Niklas, der Zahnarzt, der alte Möbel restaurierte, hatte geklungen wie der Chefarzt einer Klinik.
Niklas. Der Highlander. Nur zu dumm, dass er kein Breitschwert besaß. Ein albernes Kichern stieg in ihr auf, als sie sich vorstellte, wie er damit gegen eine Irre mit Pistole antrat.
Die Albernheit versiegte sofort wieder. Es gab keinen Grund zu lachen. Noch einmal ließ sie heißes Wasser nachlaufen, bis der Überlauf gurgelte.
Sie fühlte sich müde und zerschlagen und gleichzeitig aufgewühlt und wie im Adrenalinrausch. Wenn sie die Augen schloss, sah sie Ulrikes Augen, hörte ihre Worte. Weil du zu den Davongekommenen gehörst! Also schloss sie die Augen nicht, sah dennoch Bilderfetzen, die durch ihren Kopf jagten wie Stroboskoplichter. Abgehackt. Hektisch. Meine Freundin Beretta. Die Waffe an ihrer Stirn.
Wenn Dühnfort nicht geschossen hätte, wäre ich jetzt tot.
Die Badezimmertür öffnete sich. Niklas kam herein, einen Becher in der Hand. »Wird es dir langsam warm?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin ein Eisklotz.«
»Nicht mehr lange. Ich habe dir einen heißen Eggnog gemacht.«
»Einen was?«
»Ei, Sahne, Whiskey.«
»Klingt pervers.«
»Hilft aber und schmeckt.« Er setzte sich an den Wannenrand und reiche ihr den Becher über den Berg von Badeschaum hinweg.
Sie trank einen Schluck. Süß, warm, cremig und unverkennbar Whiskey.
»Es ist besser, wenn du aus der Wanne steigst. Ein warmes Bad erweitert die Blutgefäße, Alkohol auch, und das könnte in Kombination zu einem Kreislaufkollaps führen.« Er nahm ihr den Becher aus der Hand. »Ich habe den Kaminofen im Wohnzimmer eingeheizt. Soll ich dir was Warmes zum Anziehen holen?«
Sie sagte ihm, wo Jogginghose und Fleecepulli lagen, und wo die dicken Socken. Er brachte alles und verschwand in der Küche.
Ihre nassen Klamotten lagen auf dem Boden vor dem Waschbecken, daneben die silbrige Wärmefolie, die der Notarzt ihr gegeben hatte.
Wieder vertrieb sie Bilder. Darin hatte
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