Schuldig wer vergisst
gar nicht religiös.«
»Das macht nichts. Sie wird Ihnen nur … Gesellschaft leisten. Sie müssen nicht mit ihr reden.«
Rachel war zu erschöpft, um sich zu streiten, und zuckte nur die Achseln.
Mark wartete mit seinem Anruf bei Callie bis zum späten Vormittag. Er wusste, es war ihr freier Tag, und vielleicht schlief sie mal aus. Doch es meldete sich ihr Bruder.
»Sie ist nicht da«, verkündete Peter. »Sie macht Weihnachtseinkäufe. Ich musste dableiben, um auf den Hund aufzupassen«, fügte er mürrisch hinzu. »Ich musste Bella bei Schnee und Eis ausführen.«
»Und Callie hat sich vom Schnee nicht abhalten lassen?«
»Inzwischen hat es ja aufgehört, und es taut sogar schon. Sie dürfte keine Probleme haben – der Verkehr scheint schon wieder zu fließen, und die Busse fahren auch normal. Versuch’s mal auf ihrem Handy«, schlug Peter vor.
Mark folgte diesem Rat und erreichte Callie beim dritten Klingelzeichen.
»Ich bin in der Oxford Street«, sagte sie. »Ist sogar eine ziemlich gute Zeit zum Einkaufen. Der Schnee hat eine Menge Leute abgehalten.«
»Wegen heute Abend«, sagte Mark und legte eine Pause ein, um tief Luft zu holen.
»Wenn du’s nicht schaffst, mach dir keine Sorgen.«
»Nein, das ist es nicht.« Er hatte sich entschieden, und jetzt wollte er es auch durchziehen. »Ich wollte dich fragen, ob du … mit mir essen gehst.«
»Natürlich, Marco, wenn du Lust dazu hast.«
»Ich möchte dich ins La Venezia ausführen.«
Jetzt herrschte bei Callie Schweigen. »Gerne.«
»Aber zuerst müssen wir reden«, fuhr er fort. »Ich muss dir ein paar Dinge erklären, bevor wir hingehen. Wie wär’s also, wenn wir uns vorher zu einem Drink treffen würden?«
»Ja, klar. Ich gehe davon aus«, fügte Callie trocken hinzu, »dass die Einladung nicht Peter einschließt?«
Mark lachte. »Du hast es erfasst.«
Frances zog sich neben Rachels Bett einen Stuhl heran. Sie hatte keinen Schimmer, was sie hier eigentlich sollte: Die schwarze Frau hatte sich als Polizistin ausgewiesen und ihr bestenfalls eine vage Begründung geliefert, doch die Dringlichkeit des Anliegens war offensichtlich gewesen. »Es ist sehr wichtig, sie nicht alleine zu lassen«, hatte sie gesagt. »Ich hoffe, ich bin nicht lange weg. Falls ich nicht rechtzeitig zurück sein kann, schicke ich eine Kollegin, die Sie ablöst.«
Frances hatte den Eindruck, als wäre Rachel kurz davor, einzuschlafen. »Sie brauchen nicht zu reden oder so«, sagte sie, »ich werde einfach nur hier sitzen.«
Rachel nickte schläfrig und döste fast augenblicklich weg. Wenige Minuten später brachte eine Schwester ein dunkelhaariges Baby ans Bett und weckte Rachel. »Zeit zum Stillen«, sagte sie, »das Baby hat Hunger.«
Als sie das Kind entgegennahm, war nicht zu übersehen, dass sie keine Übung hatte. »Das Erste, nicht?«, fragte die Schwester. »Keine Sorge. Ich gebe Ihnen ein bisschen Hilfestellung und zeige Ihnen, wie’s geht. Kinderspiel. Die Kleine weiß, was sie tun muss, Sie werden sehen.«
Während das Baby gestillt wurde, fuhr die Schwester mit dem ermunternden Geplapper fort. Frances überlegte, ob sie sich lieber taktvoll zurückziehen sollte, dachte aber an die Mahnung dieser Yolanda Fish, Rachel nicht einen Moment lang allein zu lassen.
»Wollen Sie die Kleine ein Weilchen dabehalten?«, fragte die Schwester, als die Mahlzeit beendet war. »Sie müssen aber nicht. Wenn Sie lieber ein bisschen schlafen wollen, kann ich sie wieder mitnehmen.«
»Nein, ich würde sie gerne ein bisschen hierbehalten.« Rachel legte ihre Arme fester um das Baby.
»In Ordnung, dann machen wir’s ihr mal bequem.« Die Schwester sorgte dafür, dass Rachel ordentlich zugedeckt war, und legte ihr das Kind dann in die Armbeuge. »Vielleicht kommt Daddy später zu Besuch?«, fragte sie schüchtern mit einem Augenzwinkern in Frances’ Richtung.
Rachel biss sich auf die Lippe. »Ich glaube nicht.«
Als die Krankenschwester gegangen war, beugte sich Frances herüber, um sich das Baby anzusehen. »Sie ist wunderschön, nicht wahr?«
»Das Schönste, was ich je gesehen habe.« Rachel sprach bewegt und so leise, dass sie kaum zu verstehen war. »Ich hätte nie gedacht … na ja, ich konnte sie mir überhaupt nicht vorstellen. Nicht als Menschen aus Fleisch und Blut. Aber sie ist …« Sie hielt die Tränen zurück und strich dem Baby behutsam mit einem Finger über die Wange.
»Ich weiß genau, was Sie meinen«, sagte Frances. »Es war dasselbe
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