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Schuldig wer vergisst

Titel: Schuldig wer vergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Charles Anke und Dr Eberhard Kreutzer
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mit unserer Tochter. Man hat ein Baby neun Monate im Bauch und meint, man ist drauf gefasst, aber wenn es dann endlich da ist, ist man völlig unvorbereitet.«
    Rachel drehte den Kopf herum und schaute Frances an, als sähe sie die Geistliche zum ersten Mal. »Sie haben auch eine Tochter?«
    »Ja. Heather heißt sie. Inzwischen ist sie fast fünfundzwanzig – ich kann’s kaum glauben. Kommt mir so vor, als hätte ich sie erst letzte Woche so in den Armen gehalten.«
    Rachels Blick wanderte zu Frances’ Kragen. »Sind Sie wirklich Priesterin?«

    Das war, musste Frances unwillkürlich denken, in gewissen Kreisen eine ziemlich heikle Frage: Es gab jede Menge traditionalistische männliche Kollegen, die ihre Ordinierung nicht für rechtens oder gültig hielten. Doch diese junge Frau interessierte sich natürlich nicht für derlei theologische Spitzfindigkeiten. Sie lächelte und sagte einfach: »Ja.«
    »Kann ich mit Ihnen sprechen? Ich meine, als … Priesterin?«
    »Aber natürlich.« Frances nickte.
    Jetzt sah Rachel fast schüchtern weg. »Stimmt es, dass Sie niemandem weitererzählen können … dürfen, was ich Ihnen zu sagen habe?«
    »Alles, was Sie mir anvertrauen, bleibt unter uns.« Und Gott, fügte Frances in Gedanken hinzu.
    »Ich bin nicht religiös«, wiederholte Rachel, als hätte sie die unausgesprochenen Worte gehört. »Ich gehe nicht in die Kirche oder so.«
    »Das macht nichts. Ich bin für jeden da, der mich braucht«, versicherte ihr Frances.
    Rachel schwieg einen Moment und beugte das Gesicht über den flaumigen dunklen Kopf ihres Babys; die Tränen tropften aus ihren Augen auf die Wange des Neugeborenen. Als sie schließlich wieder das Wort ergriff, war ihre Stimme nur noch ein dünnes Flüstern. »Ich habe etwas Schreckliches getan, etwas wirklich, wirklich Schreckliches.«

DREIZEHN
    Die drei Mädchen standen in der Essensschlange hinter Alex und sprachen absichtlich laut, sodass sie jedes Wort hören musste.
    »Traurig, nicht wahr?«, sagte Beatrice, Alex’ Stiefkusine. »Sie ist so flachbrüstig, dass sie glatt als Junge durchgehen würde.«
    »Vielleicht ist sie ja auch ein Junge«, trug Georgina bei.
    »Das würde einiges erklären«, sagte Beatrices beste Freundin Sophie.
    »Klar, zum Beispiel, weshalb sie keinen Freund hat. Obwohl sie andererseits so hässlich ist, dass kein Junge zweimal hingucken würde. Es sei denn, sie zieht sich einen Sack über den Kopf«, fügte Beatrice hinzu. »Und dann diese Zahnspange. Wer möchte denn schon einen Mund voll Metall ablutschen?«
    Georgina und Sophie kicherten hysterisch, als Alex zu ihnen herumwirbelte. Sie hatte versucht, sie zu ignorieren; sie hatte sich eingebläut, sie seien es nicht wert, sich provozieren zu lassen. Doch sie hatte die Nase voll.
    »Redet ihr über mich?«, fragte sie die Mädchen wütend.
    Beatrice verschränkte die Arme über dem recht üppigen Busen. »Ich sehe zumindest kein anderes hässliches, flachbrüstiges Mädchen weit und breit. Wer sich den Schuh anzieht...«

    Alex fühlte sich zwischen dem Bedürfnis zu weinen und Beatrice eine reinzuhauen hin und her gerissen. Sie widerstand beiden Impulsen. »Zufällig habe ich auch einen Freund.«
    »Wohl in Schottland«, höhnte Beatrice. »Wie passend. Wie heißt er denn gleich? Nessie?«
    »Ihr Freund ist das Ungeheuer von Loch Ness!«, stichelte Georgina.
    »Er heißt Jack, und er wohnt in London!« Ohne nachzudenken, ob es klug war, griff Alex nach der Kette um ihren Hals und zog den Anhänger unter ihrem Pullover hervor. »Da, das ist er!«, verkündete sie und öffnete das Medaillon.
    Beatrice beugte sich vor und musterte das winzige Bild. »Behauptest du. Hast du wahrscheinlich aus irgendeiner Zeitschrift ausgeschnitten oder so.«
    »Hab ich nicht!«
    »Lass mal sehen«, forderte Georgina und schnappte nach dem Schmuckstück. »Wer ist denn auf dem anderen Foto? Bist du das?«
    »Meine Mutter. Als sie in meinem Alter war.«
    Alex’ Ton hätte sie warnen sollen, es nicht noch schlimmer zu treiben, doch sie achteten nicht darauf.
    »Ach, deine hässliche Mutter. Sie ist genauso hässlich wie du. Kein Wunder, dass dein Dad sie verlassen hat.« Georgina zerrte an dem Kettchen; es war alt und zart und riss, sodass sie das Medaillon in der Hand hielt.
    »Gib her!« Alex schnappte danach, doch Georgina war schneller.
    Sie machte blitzschnell eine Faust und hielt sie sich über den Kopf. Obwohl ein Jahr jünger als Alex, war sie größer und hatte längere Arme.

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