Schule der Liebe
davonlaufen."
Das Mädchen wich ihrem Blick aus. „Ich werde daran denken, Miss."
Bevor Morgana das Zimmer verließ, sah sie noch ein letztes Mal kurz in den Spiegel. Dann griff sie nach ihrem blaugrünen
Paisley-Schal mit den langen, seidigen Fransen, verabschiedete sich rasch von den beiden Dienstmädchen und eilte hinaus. Ihre langen Abendhandschuhe zog sie an, während sie die Treppe hinabstieg.
Der Butler stand in der Eingangshalle.
„Ist die Kutsche schon da, Cripps?"
„Noch nicht, Miss Hart", erwiderte er.
„Ich möchte meinen Onkel auf keinen Fall warten lassen." Wieder einmal schenkte Morgana dem Butler ein freundliches Lächeln.
„Sehr wohl, Madam." Er blieb so steif wie immer.
Morgana verbarg ihre Enttäuschung und lächelte weiter. Es wäre alles so viel einfacher, wenn sie die Gewissheit hätte, dass Cripps ihr treu ergeben war und nicht bloß tüchtige Dienste leistete. „Ich werde im Salon warten."
Mit unverändert ausdrucksloser Miene schritt der Butler ihr voraus und hielt ihr die Tür zum Salon auf.
Morgana trat ans Fenster, das zur Straße hin lag. Kaum blickte sie hinaus, fuhr auch schon die Kutsche ihres Onkels vor, und sie eilte sofort zu ihren Verwandten.
Ein hochgewachsener Herr stand neben der Kutsche und war ihrem Onkel gerade beim Aussteigen behilflich. Als dieser sie sah, hielt er inne. „Ah, da bist du ja schon", sagte er und ließ sich wieder in seinen Sitz zurücksinken.
Der hochgewachsene Herr drehte sich zu Morgana um. Wie angewurzelt blieb sie stehen. „Oh!"
Vor ihr stand der Gentleman aus dem Park!
Auch er erstarrte, doch dann wich seine verblüffte Miene langsam einem Lächeln. Grüßend lüftete er den Hut und kam auf Morgana zu.
„Darf ich Sie zur Kutsche geleiten, Miss Hart?" Seine dunklen Augen blitzten belustigt auf.
„Danke", brachte sie hervor, während sie sich bei ihm unterhakte.
„Ein schöner Abend, nicht wahr?" Seine Stimme hatte einen weichen, tiefen Klang. „Genau richtig für einen Spaziergang im Park."
„Oh, erzählen Sie nichts davon, Sir, ich bitte Sie", flüsterte Morgana erschrocken.
„Meine Lippen, liebe Miss Hart ... ", ein Schmunzeln lag auf besagten Lippen, ,,... sind versiegelt."
Zweites Kapitel
Sloane half Miss Hart in die Kutsche, wo sie von ihrer Tante, ihrer Cousine und ihrem Onkel fröhlich begrüßt wurde. Er stieg nach ihr ein und setzte sich zwischen die beiden jungen Damen, wobei ihm ein Hauch von Miss. Harts Parfum in die Nase stieg. Ein schwacher Duft, doch eindeutig französisch und kostspielig.
Sie wich ein wenig vor ihm zurück, was aus irgendeinem Grund sein Blut noch stärker in Wallung brachte als Lady Hannahs Manöver, die beinahe unmerklich näher an ihn heranrückte.
„Wir müssen euch miteinander bekannt machen, nicht wahr?", sagte Lady Cowdlin. „Morgana, darf ich dir Mr. Cyprian Sloane vorstellen? Meine Nichte, Miss Morgana Hart. Ihr Vater ist Baron Hart, müssen Sie wissen."
Sloane kannte Baron Hart, wenngleich er die geheimen Umstände, unter denen sie einander kennengelernt hatten, hier nicht erwähnen durfte. Sie würden mehr Fragen hervorrufen, als er zu beantworten bereit war.
Er wandte sich der jungen Dame zu. „So, so, Miss Hart."
„Mr. Sloane." Ihre Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln.
„Morgana ist das Kind meiner lieben Schwester, die in Frieden ruhen möge", fuhr Lady Cowdlin fort.
„Ah." Sloane hoffte, dass er einen angemessen mitfühlenden Ton getroffen hatte.
Die Kutsche machte einen Ruck, und sie fuhren los.
Als Lady Cowdlin ihn darum bat, ihre Nichte mit in die Oper einzuladen, hatte sie den Namen der jungen Dame nicht genannt. Auch Lady Hannah hatte es nicht getan, obwohl sie noch an diesem Nachmittag munter über ihre Cousine geplaudert hatte, als er mit ihr in seiner Karriole im Hyde Park spazieren gefahren war. Lady Hannah hatte erzählt, dies sei die zweite Saison ihrer Cousine in London. Hannahs Mutter habe sie schon vor einigen Jahren in die Gesellschaft eingeführt, doch ihrer Cousine sei „kein erfolgreiches Debüt gelungen". Sloane hatte ihr nur mit halbem Ohr zugehört und stattdessen eher darauf geachtet, wie viele Mitglieder der Beau Monde es für angebracht hielten, ihn zu grüßen. Ihre Zahl wuchs von Tag zu Tag. Noch vor zwei Jahren hätte es keiner von ihnen gewagt, ihn in der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu nehmen.
Die ironische
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