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Schule für höhere Töchter

Schule für höhere Töchter

Titel: Schule für höhere Töchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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macht oder ihn vergehen läßt. Oh, gut, ich sehe Mrs. Banister. Wollen wir hingehen und uns über die Theatergruppe am Theban unterhalten? Nebenbei bemerkt haben wir ja die Probleme von Literatur und Seminaren noch nicht einmal erwähnt, von der Konfrontation mit diesem unseligen Gedicht mal abgesehen. Sie machen sich doch deswegen keine Gedanken mehr, oder?«
    »Nicht mehr, als für mich gut ist.«
    »Wunderbar. Dann nehmen Sie Platz und machen Sie sich bekannt; ich besorge Ihnen inzwischen etwas zu essen. Es gibt entweder Thunfisch-Sandwich oder Huhn. Ich würde Thunfisch empfehlen.«
    Mrs. Banister erwies sich als eine winzige Frau, außergewöhnlich lebhaft und mit sehr entschiedenen Standpunkten, die sie mit Nachdruck vertrat und ohne Bedauern aufgab, wenn diese erfolgreich in Frage gestellt wurden. Sie war erfüllt von großer Zuneigung und Respekt für die Jugendlichen – das spürte man sofort; sie schien selbst viele der guten Eigenschaften der Jugend bewahrt zu haben. Die Fähigkeit, Freundschaft mit jungen Erwachsenen aufzubauen, ist selten genug; viele Menschen können gut mit kleinen Kindern umgehen oder glauben das zumindest. Ist die frühe Kindheit erst einmal vorbei, empfinden Kinder oft die Kindermädchen, Kindergärtnerinnen und kinderlieben Menschen als unangenehm und lästig. Mrs. Banister war eine seltene Ausnahme.
    »Ich bin heute besonders gut gelaunt«, erzählte sie Kate. »Andrew und ich haben nämlich endlich das Verkehrsproblem von New York gelöst. Motorräder. Gestern wollten wir zu einer Abendveranstaltung mit Abendkleid und so, und ich saß auf dem Soziussitz hinter Andrew. Herrlich. Wir hatten keine Parkplatzprobleme und mußten auch nicht stundenlang mit ratterndem Taxameter im Taxi sitzen, um überhaupt bis zum Eingang zu kommen. Es war ein Wohltätigkeitskonzert, Lincoln Center«, fügte sie hinzu.
    »Aber was, wenn es regnet?« fragte Kate und winkte Anne und den Thunfisch-Sandwiches zu.
    »Südwester und Ölzeug von Kopf bis Fuß und meine Abendschuhe in einem kleinen Plastikbeutel. Man muß mit der Zeit gehen, oder man riskiert, im Verkehrsstau steckenzubleiben und überhaupt nicht vorwärts zu kommen. Von der Luftverschmutzung ganz zu schweigen.«
    »Kommen Sie mit dem Motorrad zur Schule?« fragte Kate.
    »Nein, tagsüber nimmt es Andrew, weil er viel mehr unterwegs ist. Ich fahre Rad. Gesünder, macht weniger Dreck, und bei Regen derselbe Südwester und derselbe Plastikbeutel. Ich habe gehört, die Mädchen freuen sich auf Ihr Seminar.«
    »Tatsächlich?« sagte Kate. »Ich wünschte, ich könnte das auch sagen. Statt dessen habe ich einen schweren Anfall von Lampenfieber.«
    »Ach, Unsinn. Julia Stratemayer hat mir erzählt, Sie seien ganz schrecklich gut an Ihrer Universität. Hier geht es vielleicht ein wenig persönlicher zu, aber die Mädchen aus der Zwölften stehen nur noch mit einem Bein in der Schule. Wirklich, sie sind ziemlich erwachsen. Ich habe drei aus Ihrem ›Antigone-Verein‹ in einer meiner Schauspielgruppen: Angelica Jablon, Betsy Stark und Freemond Oliver.«
    »Heißt sie tatsächlich so?«
    »Allerdings. Ich habe den starken Verdacht, daß in grauer Vorzeit einmal eine Susan vor dem Freemond gestanden hat, aber seit ich sie kenne, heißt sie schlicht Freemond Oliver. Sie ist ungewöhnlich gut in Griechisch und Latein, und in Sport. Betsy Stark ist da ganz anders – sie liebt jede Form des Sittengemäldes von ›The Way of The World‹ bis Dorothy Sayers. Sie ist der Meinung, daß nach Shakespeare – und selbstverständlich hält sie ›Viel Lärm um nichts‹ für sein größtes Stück – erst die amerikanische Komödie der zwanziger und dreißiger Jahre, mit all ihrem sprühenden Witz, ihren Verwechslungsspielen und einem ordentlichen Schuß Sentimentalität einen Höhepunkt des Theaters darstellt. ›The Philadelphia Story‹ ist vermutlich die Krönung des ganzen.«
    »Mein Mann ist derselben Meinung. Ich bin überrascht, daß sie sich mit der Antigone beschäftigen will.«
    »Nun, vielleicht spielt da mein Einfluß ein wenig mit – aber Sie müssen nicht denken, sie sei gegen ihren Willen überredet worden, das ist nicht der Fall. Sie schätzt die ›Odyssee‹ sehr und hält die Gespräche zwischen Odysseus und Athene für den ersten geistreichen Gedankenaustausch zwischen Mann und Frau in der Literatur überhaupt. Sie sagt sogar, es habe nichts Vergleichbares mehr gegeben bis zu Beatrice und Benedick, aber zweifellos übertreibt sie – das

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