Schusslinie
eingefassten Gartenweg und erreichte das schwere Eichenportal,
das die ziemlich öde erscheinende graue Sichtbetonwand des Gebäudes unterbrach.
Dort wartete Stefan Beierlein, ein Endfünfziger mit burschikosem Auftreten.
»Pünktlich auf die Minute«, lächelte er und
schüttelte seinem Besucher die Hand. »Komm rein.« Er führte Liebenstein durch ein
großzügig gestaltetes Foyer, das mit Erinnerungsstücken aus verschiedenen Ländern
ausgestattet war, unter anderem mit einem riesigen, glitzernden Säbel, der an der
Wand hing.
Sie gingen über eine breite, geschwungene Treppe
ein Stockwerk tiefer. Dort gab es einen Raum, der mit modernen, pastellfarbenen
Polstermöbeln eingerichtet war. Die gesamte Außenwand bestand aus einer einzigen
Glasfront, an der Regen abwärts rann. Durch das nasse Fenster hindurch bot sich
ein traumhafter Blick über die gesamte Stuttgarter City. Draußen auf der Terrasse
standen Terracottagefäße, in denen hohe südliche Pflanzen wuchsen. Von dem steil
dahinter abfallenden Hang ragten die Wipfel alter Nadelbäume herauf. Der Hausherr
wies seinem Gast einen Platz in einem der Polstersessel zu, die sich um einen ovalen
Glastisch gruppierten.
»Meine Frau lässt sich entschuldigen, sie ist
unten im Hallenbad«, erklärte der Gastgeber, »willst du was trinken?«
Liebenstein lehnte dankend ab, stellte den
Aktenkoffer neben sich und zog das feucht gewordene Jackett aus.
»Schön, dass alles so wunderbar ins Laufen
kommt«, meinte der Villenbesitzer. »Unsere Jungs gestern haben auch gestaunt, wie
weit wir schon sind.«
»Waren denn alle da?«, zeigte sich Liebenstein
interessiert.
Sein Gegenüber nickte zufrieden. »Alle, ja.
Und was für mich das Wichtigste war: Sie halten zur Stange. Niemand hat daran Zweifel
aufkommen lassen.«
»Und Lanski?«
»Bestens, mein Freund. Ich bin überzeugt, dass
er die nötigen Kontakte hinkriegt. Wenn nicht er, wer denn dann sonst?«
»Du meinst Kontakte zu Klinsmann?« Beierlein
nickte bedächtig.
Als der Kripo-Mercedes durch die Bahnunterführung rollte, tauchten
vor Häberle und Bruhn die zuckenden Blaulichter unzähliger Einsatzfahrzeuge auf.
Sie reihten sich hintereinander entlang der Zufahrt zu den Parkplätzen der Baufirma.
Die uniformierten Kollegen hatten das Auto bereits gesehen, worauf sie einen der
Kombis beiseite rangierten, sodass Häberle bis zu den rot-weißen Absperrbändern
vorfahren konnte.
Kaum hatte der Kommissar den Mercedes abgestellt,
sprang Bruhn energisch vom Beifahrersitz und stürmte durch den Nieselregen wortlos
auf einen Zivilisten zu, der die Spurensicherung leitete. »Und? Erkenntnisse?«,
raunzte er ihn ohne ein Wort der Begrüßung an, während Häberle zunächst den Uniformierten
freundschaftlich die Hände schüttelte und sich vom Leiter der Kriminalaußenstelle
Geislingen, Rudolf Schmittke, zum Fundort der Leiche führen ließ. Dort schienen
mehrere Beamte in weißen Schutzanzügen behutsam jeden Kieselstein einzeln zu untersuchen.
Außerdem hatte sich bereits ein junger Kriminalist Notizen gemacht. Es war Mike
Linkohr, mit dem Häberle in den vergangenen Jahren schon einige knifflige Fälle
gelöst hatte. Er begrüßte auch ihn mit Handschlag. »Vielleicht wieder was für uns«,
meinte er aufmunternd, was Linkohrs Gesicht sofort erstrahlen ließ. Mit diesem Ermittler
zusammen zu arbeiten, das bereitete ihm große Freude. Wortlos standen sie vor dem
Toten, der auf dem Rücken lag, das Gesicht ein einziger roter Klumpen, dazwischen
schwarze Haare. Blut hatte sich mit Regen vermischt und am Bauch der Leiche eine
kleine Pfütze gebildet. Ziemlich unappetitlicher Anblick, dachte Häberle, der in
seinem Berufsleben schon viele übel zugerichtete Leichen gesehen hatte. Diese hier
aber bot einen besonders schrecklichen Anblick. Für ihn war klar: Da hatte jemand
mit Schrot aus allernächster Nähe auf den Kopf geschossen. Auch unterhalb des Halses
war das Hemd des Toten mit Blut durchtränkt. Offenbar auch noch ein Schuss in die
Brust. Die Beine, die in einer hellen Hose steckten, waren abgewinkelt, die Arme
nach beiden Seiten weit weg gestreckt, das blaue Jackett aufgeknöpft.
Häberle ließ das Bild für einen kurzen Moment
auf sich wirken. Er versuchte, sich jeden Tatort genau einzuprägen. Lage der Leiche,
die Umgebung, den Boden, das Gelände. Bruhn hingegen erwartete von den Kollegen
der Spurensicherung bereits konkrete Einzelheiten. »Eine Schrotflinte?«
»So, wie’s aussieht,
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