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Schusslinie

Schusslinie

Titel: Schusslinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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gottverlassnen
Ecke etwas beobachtet hat.«
    »Das rauszukriegen, ist Ihr Job«, konterte
Bruhn, ohne die Augen von dem Dreißigtonner vor ihnen zu lassen. Ein »Mautflüchtiger«
dachte er. Seit die Lkw-Maut auf der Autobahn funktionierte, wichen viele Brummi-Fahrer
auf die parallel führende B 10 aus.
    »Wissen wir, wer ihn gefunden hat?«
    »Ein Rentner, der heut früh in dieser Affenkälte
seinen Hund ausgeführt hat.«
    Eislingen schien wirklich wieder verstopft
zu sein. Die Ampeln richteten das übliche hausgemachte Chaos an – und dies, so erinnerte
sich Häberle, obwohl der Bürgermeister stets mit seiner angeblich »grünen Welle«
prahlte. Doch die hatte seit Jahrzehnten außer dieser selbst niemand erkennen können.
    »Haben die Kollegen gesagt, wie oft geschossen
wurde?« Der Kommissar versuchte, sich auf die Situation einzustellen.
    »Zweimal getroffen, Kopf und Brust. Aus allernächster
Nähe«, antwortete Bruhn zackig, »sieht aus wie eine Hinrichtung. Zack-bum.«
    Häberle schwieg. Die Kolonne setzte sich wieder
in Bewegung.
     
    Ute Siller hatte sich besonders fein gemacht. Ihr dezent graues Kleid,
knielang, unterstrich die Seriosität, mit der sie sich als Finanzchefin des Unternehmens
gerne umgab. Damit wollte sie sich von den jungen Dingern abheben, wie sie immer
zu sagen pflegte – von diesen Mädels, die Nullenbruch so gerne als Sekretärinnen
einstellte. In ihrem gemeinsamen Vorzimmer saß deshalb seit einiger Zeit auch so
eine Zwanzigjährige, deren Getue ihr ziemlich auf die Nerven ging. Dazu war sie
noch Ausländerin, sprach dafür aber erstaunlich gut Deutsch. Schon oft waren sie
sich in die Haare geraten. »Schluss jetzt«, sagte die Chefin dann barsch und warf
die Tür ihres Büros lautstark zu, um ihrer Autorität Nachdruck zu verleihen. Auch
heute Vormittag war ›Kindchen‹, wie sie die hellblonde Angestellte von Anfang an
tituliert hatte, wieder aufmüpfig und hatte über die vielen Briefe gestöhnt, die
zum Schreiben anstanden.
    Ute Siller war ohnehin sauer. Gestern hatte
Nullenbruch hartnäckig eine Betriebsversammlung angekündigt – und nun war er über
Nacht verschwunden. Als sie ihren Computer anschaltete, entdeckte sie eine Mail
von ihm, die sie um 3.48 Uhr erhalten hatte: ›Tut mir leid, aber ich habe einen
dringenden Termin wahrnehmen müssen. Betriebsversammlung wird verschoben.‹ Keine
Begründung, kein Gruß.
    Die Frau starrte noch ein paar Sekunden auf
den Bildschirm und drückte dann am Telefon Meckenbachs Nummer. Der hatte auf dem
Display bereits gesehen, wer anrief und kam gleich zur Sache: »Nicht aufregen, Ute.
Er hat mal wieder umdisponiert.«
    »Langsam hab ich den Eindruck, er weiß manchmal
selbst nicht so genau, was er will.« Sie lehnte sich in ihrem schweren, ledernen
Bürosessel zurück und schaute zur Tür, die sie vorhin mit Wucht zugeworfen hatte.
    »Die Sache überfordert ihn«, meinte Meckenbach.
    »Hast du denn eine Ahnung, wohin er ist?«
    »Nicht die geringste. Vielleicht hat’s mit
dem Anruf zu tun. Erinnerst du dich? Er hatte doch gestern noch eine Verabredung.«
    »Stimmt, ja«, erwiderte Ute Siller nachdenklich,
»hat der nicht Leo geheißen oder so ähnlich?«
    »Hab ich nicht gehört und ist mir auch ziemlich
egal. Sag mal, Ute, hast du heut Mittag schon was vor? Ich mein, wir könnten essen
gehen.«
    »Keine schlechte Idee. Was schlägst du vor?«
    »Pizza in Göppingen, wie immer.«
    »Okay. Fahr’n wir gleich um halb eins?«
    Er stimmte freudig zu. Ute Siller legte auf
und verlor ihr Lächeln. Sie erhob sich energisch und erreichte mit wenigen Schritten
die Tür zum Vorzimmer, die sie mit einem Ruck aufriss. Fast im gleichen Moment nahm
die junge Sekretärin ihr knallrotes Handy vom Ohr und drehte sich erschrocken um.
    »Hab ich mir’s doch gedacht«, herrschte die
Chefin die Angestellte an, deren blasses Gesicht rot anlief. »Du telefonierst während
der Geschäftszeit privat rum?«
    Das Mädchen schluckte und ließ die Hand mit
dem Handy langsam sinken. Sie hätte jetzt lügen können, doch die Autorität, die
diese Frau vor ihr ausstrahlte, wirkte geradezu lähmend auf sie.
    »Ich will eine Antwort. Oder bist du taub?«
Ute Siller kam bedrohlich nahe an den Schreibtisch heran.
    »Tut mir leid, Frau Siller«, stammelte die
Sekretärin mit ihrem unüberhörbaren slawischen Dialekt, »mein Freund hat mich nur
kurz was fragen wollen.«
    »Hab ich nicht gesagt, dass Privatgespräche
absolut verboten sind? Dazu zählen auch Gespräche

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