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Schusslinie

Schusslinie

Titel: Schusslinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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situierten Gesellschaften, tauchten
viele von ihnen in nie gekannte Dimensionen ab – schon gar, wenn das pralle Leben
lockte. Und dieses lockte in Berlin rund um die Uhr.
    Auch Gangolf war einst diesen Verlockungen
erlegen, weshalb sich seine Frau nach 15-jähriger Ehe von ihm trennte. Er weinte
ihr keine Träne nach, denn eigentlich hatten sie nie zusammengepasst. Sie war dominant,
herrschsüchtig und hatte Karriere in der freien Wirtschaft gemacht. Er hingegen
hatte seine Position in der Politik mühsam erklommen, war Mitglied in der richtigen
Partei geworden und hatte seine Meinung meist nur diplomatisch geäußert – und dies
auch nur so vorsichtig, dass es seinem Vorwärtskommen nicht schaden konnte. So richtig
auf den Tisch klopfen, wie das seine Frau ohne Rücksicht auf andere tat, das lag
ihm fern.
    Eva Campe hingegen hatte ihn von Anfang an
verzaubert und fasziniert. Seit sie bei ihm im Wirtschaftsministerium arbeitete,
waren sie sich immer näher gekommen. Sie verstand ihn und seine Ziele und wurde
zu seiner engsten Vertrauten. Sie waren inzwischen ein verschworenes Team. Wo immer
sie auftraten, da erkannten die Gesprächspartner, dass sie gemeinsam ihre Aufgaben
ernst nahmen. Eigentlich ideal dachte er. Beruflich und privat passten sie zusammen – trotz des Altersunterschieds.
    ›I just call, to say, I love you‹,
klang es aus den Lautsprechern. Ein alter Hit. Er erinnerte ihn an eine Australienreise, irgendwann
in den frühen 80er Jahren, als dieses Lied immer und immer wieder gespielt wurde.
    Eva sah heute hinreißend aus. Sie trug ein
weich fallendes Kleid, dessen geschlitzter Rock das Knie umspielte. Sie ließ dies
lässig und provozierend erkennen, wie sie so auf dem Barhocker neben ihm saß und
den Cocktail mit einem Strohhalm aus dem Glas sog. Er prostete ihr mit einem Glas
Sekt zu.
    »Danke, dass du mir in diesen turbulenten Zeiten
beiseite stehst«, lächelte er charmant und sah in ihre großen Augen. Sie rückte
näher zu ihm, weil ein weiteres Pärchen an die Bar drängte. Es wurde zunehmend enger
und lauter.
    »Du weißt doch – für dich tue ich alles«, hauchte
sie zurück und streichelte ihm übers angewinkelte Knie.
    »Alles?«, fragte er zweifelnd, wohl wissend,
dass dies gar nicht nötig gewesen wäre.
    »Viel mehr, als du erwarten dürftest«, gab
sie zurück. Sie hatte Recht, musste er sich eingestehen. Sein Lieblingslied klang
aus. Es folgte ein Titel von den Bee Gees. Die Oldies in dieser Bar gefielen ihm,
auch wenn ihm das Licht zu schummrig war. Aber die drangvolle Enge, die allabendlich
hier herrschte, bewies eindeutig, dass es genügend Menschen seines Alters gab, die
gerne in die Dunkelheit und damit ein Stück weit in die Anonymität abtauchten.
    »Derzeit kommt’s auch knüppeldick«, stellte
er mit gedämpfter Stimme fest, aber immer noch laut genug, dass Eva es verstehen
konnte.
    »Pannen, ja …« Sie sagte dies, als sei alles Routine. »Aber wir haben alles
im Griff, oder?«
    Er zuckte mit den Augenbrauen. »Ich hoffe,
du hast Recht. Noch kann ich mir keinen rechten Reim drauf machen, was drüben geschehen
ist. Und vor allem, wem man trauen kann.«
    Eva rückte ihren Barhocker noch näher zu ihm
her. Jetzt hatten sie Kniekontakt. Er wünschte sich, das Gespräch möglichst schnell
bei ihm daheim fortsetzen zu können. Obwohl sie dann erfahrungsgemäß ganz andere
Interessen hatten.
    »Ich bin dran, glaub mir«, beruhigte sie, »auch
wenn deine Ute sich hartnäckig weigert, mit mir zu reden.«
    Er war zusammengezuckt. »Sag bitte nicht: ›meine‹
Ute.«
     
    Das Holzhaus am oberen Ende des Wohngebiets von Aichelberg war nicht
mehr zu retten gewesen. Die Feuerwehren von den umliegenden Gemeinden, vor allem
aber aus der Kreisstadt Göppingen, hatten die örtlichen Kräfte unterstützt und viele
hundert Meter lange Schlauchleitungen zu den nächsten Hydranten gelegt. Doch obwohl
aus unzähligen C-Strahlrohren und von allen Seiten gespritzt worden war, hatten
sich die hoch auflodernden und weithin sichtbaren Flammen nur mühsam eindämmen lassen.
Ziemlich bald war der Dachstuhl krachend in sich zusammengebrochen. Feuerwehrleute
in speziellen Anzügen und ausgerüstet mit Atemschutzgeräten hatten immer wieder
versucht, in die Höllenglut vorzudringen, während die Flammen von der ausgefahrenen
Drehleiter mit einem Wasserwerfer bekämpft wurden. Doch erst als das Feuer einigermaßen
eingedämmt war, hatten die Männer das Chaos glühender Trümmer vorsichtig nach

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