Schusslinie
den
vermissten Bewohnern durchsuchen können und ziemlich rasch die schlimmsten Befürchtungen
der Nachbarn bestätigt gefunden. Zwischen den brennenden Balken des heruntergestürzten
Dachgeschosses lagen die Leichen zweier Menschen, die bis zur Unkenntlichkeit verbrannt
und verkohlt waren.
»Das müssen sie sein«, stellte Helmut Bruhn
fest, nachdem ihn der Kreisbrandmeister über die Toten unterrichtet hatte. Der Göppinger
Kripochef war davon nicht sehr angetan, schließlich wäre dies alles Sache des Bereitschaftlers
gewesen. Der aber hatte es mit einem Mordfall zu tun. Die Uniformierten wussten
deshalb, dass Bruhn mit äußerster Vorsicht behandelt werden musste. Ein falsches
Wort, eine falsche Bewegung und er würde explodieren wie ein Fass Dynamit. »Ein
Sachverständiger muss her«, entschied er knapp und schaute sich um. Ein älterer
Schutzpolizist mit vier silbernen Sternen fühlte sich angesprochen. »Der PvD hat
die Liste mit den Adressen«, erklärte dieser schnell und schlug damit indirekt vor,
dass der Polizeiführer vom Dienst alles Weitere in die Wege leiten könnte.
Bruhn war irgendwie erleichtert: »Der soll
einen Sachverständigen rausschicken«, sagte er und fügte völlig unnötigerweise barsch
hinzu: »Aber zügig. Sagen Sie ihm das.«
Während der Uniformierte zu seinem Sprechfunkgerät
griff und beiseite trat, wandte sich Bruhn an den Kreisbrandmeister: »Wer sind die
Toten?«
»Funke – ein Ehepaar mittleren Alters, sagen
die Nachbarn.«
»Wo sind die Nachbarn?«, bäffte Bruhn ungeduldig
und drehte sich um. Auf der Wohnstraße reihten sich die Feuerwehrfahrzeuge auf,
dazwischen waren starke Halogenstrahler auf das abgebrannte Holzhaus gerichtet.
Notstromaggregate brummten, Dieselabgase hingen in der Luft. An den Fenstern der
benachbarten Gebäude, das sah Bruhn erst jetzt, schauten Menschen heraus. Andere
Neugierige wurden hundert Meter entfernt von der Feuerwehr auf Distanz gehalten.
»Das sind die Nachbarn«, erklärte der Uniformierte und deutete auf das gegenüberliegende
Haus, in dessen Vorgarten ein älteres Ehepaar stand. Die beiden Personen hatten
sich Jogginghosen und Joggingjacke über die Schlafkleidung gezogen.
»Kripo«, knurrte Bruhn, als er sich dem Ehepaar
näherte. »Wann haben Sie die Funkes heute zuletzt gesehen?«
Der angesprochene Mann dachte lange nach und
erwiderte dann: »Die Funkes, müssen Sie wissen, die sind viel jünger als wir.«
Bruhn wurde ungeduldig. »Heut Abend oder nachmittags?«,
drängte er.
Die Frau sah ihre Gelegenheit zum Eingreifen
gekommen. »Nach den ›Tagesthemen‹ ist jemand weggefahren«, antwortete sie, »dann
muss es kurz nach elf gewesen sein. Ich war zufällig in der Küche und hab rausgesehen
– nicht, dass Sie meinen, ich guck immer auf die Straße raus.« Sie verzog ihr blasses
Gesicht zu einem Lächeln.
Bruhn sah auf seine Armbanduhr. Es war kurz
vor zwei.
»Was für ein Auto war’s?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich hab nur
noch die Schlusslichter gesehen.«
Das hatte keinen Sinn. Bruhn wechselte das
Thema »Die wohnen allein da drüben? Kinder?«
»Einen Sohn. Der studiert in Tübingen und wohnt
dort auch irgendwo«, schaltete sich der Mann wieder ein.
»Sonst haben Sie später nichts gesehen?«, wollte
Bruhn wissen, während er sich zu dem ruinierten Haus hinüberdrehte, in das noch
immer Wasser gespritzt wurde.
Die beiden schüttelten die Köpfe. »Nichts«,
versicherte die Frau, »wir schlafen aber auch zur anderen Seite raus. Erst an den
Feuersirenen bin ich wach geworden.«
Bruhn lief wortlos weg und suchte den Kreisbrandmeister,
der bei einer Gruppe Feuerwehrmänner stand. Der Kripochef unterbrach die Gespräche
abrupt: »Wie sehen Sie die Ursache?«
Der Angesprochene löste sich von der Gruppe
und nahm den Kriminalisten zur Seite. »Das muss an mehreren Stellen gleichzeitig
angefangen haben«, meinte der Kreisbrandmeister, »rund ums Haus – und vermutlich
noch oben auf dem Balkon.«
»Brandstiftung«, entfuhr es Bruhn.
»Daran dürfte kein Zweifel bestehen«, resümierte
der Mann in der blau-schwarzen Uniform.
26
Anna räkelte sich auf dem rosafarbenen Bett. Sie war nackt und genoss
die Blicke des Mannes, der aus einer Flasche sündhaft teuren Sekt in zwei hochstielige
Gläser perlen ließ. In ihnen spiegelte sich die abgedimmte Wandlampe. Dezenter Sound
einer Musikgruppe erfüllte den Raum, auf einem Metallregal brannte eine Kerze. Es
roch nach Räucherstäbchen.
»Du bist super«, sagte
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