Schusslinie
dann die Polizei für
euer Telefongespräch mit diesem Lanski«, bohrte die Frau weiter nach.
»Weil die sich an jeden Strohhalm klammern,
verstehst?«, dröhnte Striebels Stimme durch die Wohnung.
»Und was habt ihr gesagt? Habt ihr gesagt,
dass Lanski auch mit ein paar Hunderttausend drin hängt?«, keifte die Frau.
»Die Summe nicht – aber sonst alles«, antwortete
ihr Mann, »ist ja nicht verboten, oder?«
Jetzt fühlte sich auch Kromer angesprochen.
»Ich hab nicht den Eindruck, dass dies die Bullen interessiert. Denen ging’s nur
drum, zu erfahren, wer sich am Telefon gemeldet hat. Schließlich war Lanski zu diesem
Zeitpunkt bereits tot.«
Striebel war erleichtert, dass sein Freund
dieses Argument brachte. »Der Täter hat wohl das Handy mitgenommen – oder besser
gesagt: Die Täterin. Es war ja eine Frau, die sich gemeldet hat, verstehst?«
»Ein Weib?«, staunte Frau Striebel, als sei
es völlig ausgeschlossen, dass es auch Mörderinnen gab. Sofort wechselte sie das
Thema: »Und euer Geld? Ihr kriegt’s doch, oder?«
»Natürlich«, log Striebel erneut, »wenn wir’s
wollen. Aber bei der momentanen Verzinsung macht es gar keinen Sinn, es zu holen.«
Genial, dachte Kromer. Damit war das Thema
vorläufig vom Tisch. So würde er es nachher daheim auch seiner Frau glaubhaft machen.
Dass ausgerechnet in diesem Augenblick näher kommende Martinshörner über den Ort
schallten, beunruhigte ihn. Er ließ es sich aber nicht anmerken.
»Bringen Sie mich noch rüber – oder soll ich
meine Frau anrufen?«, fragte er vorsichtig, doch Frau Striebel winkte ab. »Natürlich
fahr ich Sie rüber. Die paar Kilometer werd ich ja wohl noch schaffen.«
Kromer schenkte sich das Glas noch einmal halb
voll und trank es sofort wieder leer. Die Sirenen von Einsatzfahrzeugen schwollen
immer lauter an.
»Da scheint was los zu sein«, meinte Striebel
schließlich, stand auf und trat dicht an das große Wohnzimmerfenster heran. »Schaut’s
euch das an«, forderte er die anderen auf. In seiner Stimme klang Entsetzen. Er
deutete schräg über die Dächer des Orts zum Waldrand hinauf. »Lichterloh«, stellte
er fest, als könne er nicht glauben, was alle sahen: Wie eine riesige Fackel brannte
am Ortsrand ein Gebäude. Die Flammen mussten viele Meter hoch in den schwarzen Himmel
lodern, Funken stoben und schossen senkrecht nach oben.
»Da …«, Striebel kniff die Augen zusammen, als versuche er, sie scharf
zu stellen, um mehr Details erkennen zu können. »Da oben …«, stellte er fest, »da oben … brennt das Holzhaus.«
Blaulichter zuckten und reflektierten an Fenstern und Fahrzeugen. Der
Kastenwagen des Roten Kreuzes parkte dicht an einem stark bewachsenen Carport, den
zwei auf Stativen stehende Scheinwerfer in ein grelles Licht tauchten.
»Nichts mehr zu machen«, erklärte der Notarzt
sachlich, während ihm ein uniformierter Polizeihauptkommissar aufmerksam zuhörte.
»Den Kopf regelrecht weggeschossen. Aus allernächster Nähe.«
Sanitäter hatten den Toten bereits mit einer
Decke vor den neugierigen Blicken der umliegenden Hausbewohner geschützt. Obwohl
es ein Uhr in der Nacht und ziemlich kühl war, verfolgten viele Schaulustige den
Einsatz der Rettungskräfte. Drei Polizeibeamte hatten rot-weiße Absperrbänder gezogen,
um die Neugierigen, die aus den anderen Straßen dieses Wohngebiets herbeigeeilt
waren, auf Distanz zu halten.
Die Rot-Kreuzler packten ihre Utensilien zusammen.
»Das sieht genauso aus wie Montagfrüh«, meinte einer der Männer, als er den schweren
Notarztkoffer in den Kastenwagen verfrachtete. Keiner der Uniformierten sagte etwas.
Aber wahrscheinlich hatte er Recht, dachte der Polizeihauptkommissar, der mit seinen
Kollegen jetzt das Eintreffen der Kriminalisten herbeisehnte. Denn mehr, als darauf
zu achten, dass am Tatort alles unverändert blieb, konnten sie in dieser Situation
nicht tun. Bereitschaft hatte in dieser Nacht der örtliche Geislinger Außenstellenleiter
Schmittke. Zwei Minuten später traf er ein und ließ sich zu dem Carport bringen,
wo ein heller Audi vorwärts eingeparkt stand. Schmittke ahnte, was ihn erwartete.
Neben dem hinteren linken Kotflügel lag offenbar ein Toter in einer Blutlache. Die
Beine des Mannes waren abgewinkelt, die Arme unter dem Körper begraben. Das Gesicht
bestand nur noch aus einem einzigen dunkelroten Klumpen. »Entsetzlich zugerichtet«,
entfuhr es Schmittke, der insgeheim froh war, die weitere Spurensicherung den Kollegen
überlassen zu
Weitere Kostenlose Bücher