Schusslinie
sich die Aufstellung. Neben den Verbindungsnummern
waren handschriftlich die Namen der Anschlussbesitzer notiert worden.
»Dieser hier«, Häberle deutete mit dem Kugelschreiber
auf eine Nummer mit der Göppinger Vorwahl 07161, die in der vergangenen Woche fünfmal
angewählt worden war. Dahinter stand ›Fa. Nubru‹. Linkohr zuckte mit den Schultern.
»Schaun Sie mal«, fuhr Häberle fort und zeigte
auf eine Handynummer, die dreimal auftauchte, zuletzt am Dienstag und zwar gewählt
in der Slowakei. Könnte es sein, dass Nullenbruch etwas mit ›Nubru‹ zu tun hat?«
Linkohr fiel es wie Schuppen von den Augen.
Er hätte dies auch erkennen können. Aber vielleicht war er durch die Arbeit der
letzten Tage ausgepowert. Außerdem plagte ihn immer häufiger der Gedanke, er würde
Juliane vernachlässigen. Zwar zeigte sie Verständnis für seine Arbeit, aber jetzt
stand das Wochenende bevor – und sie hatte diesmal frei.
Häberle überflog noch einmal die Namen. Insgeheim
hoffte er, weitere Bekannte zu finden. Aber es gab keine Hinweise auf Nummern, die
Heimerle oder Funke zuzuordnen gewesen wären.
»Dieser Nullenbruch würd mich interessieren«,
entschied er, »knüpfen wir uns doch diesen Striebel mal vor. Er kann uns doch am
ehesten erzählen, weshalb er so oft dort angerufen hat.«
Linkohr nickte, faltete das Blatt wieder zusammen
und brachte aus seinem Aktendeckel ein weiteres hervor.
»Noch was«, fuhr er fort, »die Telefonverbindungen
der beiden Toten.« Auch auf dieser Liste waren die Nummern bereits mit Namen versehen.
Häberle zeigte sich sehr zufrieden. Doch beim
Blick auf die Aufstellung gab es nichts, was seine Aufmerksamkeit erregte. Er kniff
die Lippen zusammen und meinte: »Die Kollegen sollen die Namen nochmal genau durchchecken.
Gibt’s was Neues von der Spurensicherung?«
Linkohr schüttelte langsam den Kopf, griff
aber dennoch zu seinem kleinen Notizblock. »Die Chemiker in Stuttgart haben herausgefunden,
womit Funkes Haus angezündet wurde. Bei dem Brandbeschleuniger hat es sich um Aral
Super gehandelt.«
Häberle zeigte keine Reaktion. »Ganz schöne
Verschwendung«, meinte er schließlich ironisch, »ausgerechnet den teuersten Sprit.«
»Aber da ist noch etwas«, Linkohr hatte ein
ausgesprochenes Talent dafür, wichtige Informationen bis zum Schluss für sich zu
behalten. »Und?«, fragte sein Chef ungeduldig.
»Dieser Lanski ist wirklich ins Wettgeschäft
eingestiegen. Er hat nicht nur mit Sportartikel gehandelt, sondern eine ganze Kette
von Wettbüro-Filialen eröffnet. So eine Art Franchising, wenn Sie verstehen …« Der Kommissar nickte, denn er wusste, dass
es sich um Filialen handelte, die allesamt selbstständig geführt wurden. »Sie werden
meist von Ausländern betrieben«, fuhr Linkohr fort. »Von Türken, aber auch von Russen.«
Der Chef-Ermittler holte tief Luft. »Die russische
Wett-Mafia«, stellte er fest.
30
Der Abgeordnete Riegert hatte sich daheim nur kurz frisch gemacht und
von seiner Frau schildern lassen, was über den Tod von Heimerle und Funke in den
regionalen Radionachrichten berichtet worden war. Dann fuhr er in sein Wahlkreisbüro
nach Geislingen. Dies hatte er vor geraumer Zeit dort eingerichtet, weil sich die
Räumlichkeiten im Haus eines befreundeten Bauunternehmers anboten. Frau Schiller,
seine Büroleiterin, war an diesem Donnerstagabend nicht mehr da, als er hinter dem
Schreibtisch Platz nahm. Neben ungeöffneten Briefen, die persönlich an ihn adressiert
waren, entdeckte er mehrere Zettel mit Telefonnummern, die er anrufen sollte. Alles
deutete darauf hin, dass auch an der Basis die Nervosität stieg, dabei hatte Schröder
die Vertrauensfrage doch erst auf den 1. Juli angekündigt. Aber inzwischen gab es
keine ernsthaften Zweifel mehr, dass es Mitte September zu Neuwahlen kommen würde.
Riegerts Wahlkreisbüro war klein und eigentlich
nichts weiter als eine bescheidene Möglichkeit, Gespräche zu führen und Akten aufzubewahren.
Die Wände waren schmucklos, soweit die Regale und Schränke überhaupt noch Freiräume
zuließen.
Der Mann, der pünktlich um 20 Uhr an der Tür
klopfte, hatte sein korrekt gescheiteltes, schwarzes Haar offenbar mit einer neuen
Portion Gel zum Glänzen gebracht.
»Mein Name ist Liebenstein, Tobias Liebenstein«,
stellte er sich vor und nahm neben Riegert an dem kleinen Besuchertisch Platz, von
dem der Abgeordnete einen Stapel Zeitungen entfernte. Riegert musterte den Besucher
und war sich ziemlich sicher, dass er
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