Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
nicht mehr bewegt. Oh nein, wie peinlich, nach nicht mal zwei Stunden klemmt das Ding hier fest.
Ich nehme ein paar Schritte Abstand.
Das diffuse Licht, das von Osten durch die breiten Schlitze zwischen den Brettern scheint, zeigt die Silhouette des Schlaghammers, wie er diagonal aus der Betondecke in den staubgefüllten Raum zeigt. Erst jetzt merke ich, dass sich meine Hände völlig verkrampft haben. Nur langsam kann ich meine Finger aus der Faust lösen.
«Boah, ich hab keinen Bock mehr.»
Erst der Arm, jetzt die Hände, und wie winzig das Loch nach fast zwei Stunden schweißtreibender Arbeit erscheint, ist wirklich erschreckend. Ich atme tief durch. «Na los, komm schon», motiviere ich mich noch mal. Ich reiße mit aller Gewalt an dem Hammer, aber er bewegt sich keinen Millimeter. Keine Chance. Ich muss wohl oder übel fragen, ob mir jemand helfen kann. Am besten Peter selbst.
Auf meinem Weg hinunter kommen mir zwei kaffeeschlürfende Fensterbauer entgegen. Ich passe mich an und nuschele jetzt auch ein kurzes «Morgen». Es wird zurückgegrüßt. Der Ältere hält einen Kippenstummel lässig mit den Lippen fest, sein eigentlich grauweißer Schnurrbart ist auf der linken Seite vom Zigarettenqualm braungelb gefärbt. Eine Etage tiefer schleppt sich dann der pickelige Auszubildende ächzend die Treppe hoch. Er ist beladen mit drei Koffern und einigen Metern Kabel über der Schulter. Sein Kopf ist knallrot vor Anstrengung. Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen.
«Jaja, die Hierarchie auf dem Bau. Und wehe, man ist der Azubi», spreche ich leise vor mich hin. Dabei muss ich unweigerlich an die
Werner
-Comics aus meiner Kindheit denken und lache beinahe laut los. Meine Güte, das hier ist Realität. Und ich bin mittendrin.
Peter ist nicht zu übersehen in seiner neongelben Arbeitsjacke und den zu Berge stehenden grauen Haaren. Er schraubt gerade an der Steinsäge.
«Der Stemmhammer steckt fest, ich bekomme den nicht mehr raus.»
«Die Meißel sind sauteuer, Mann! Du musst aufpassen, Mann! Hatte ich das nicht gesagt?»
«Äh, doch schon, also durchgebrochen bin ich ja nicht, nur der Hammer, der …»
«Ich kann nicht wieder und wieder neues Zeug kaufen, weil ihr alles kaputt macht!», rastet er ohne Vorwarnung aus. Ein cholerischer Leprechaun in Neon. Scheiße, denke ich, das kann ja noch was werden. «Komm mit!», schnauzt Peter. Also folge ich ihm zu einer selbst zusammengeschweißten Metallkiste im Treppenhaus. «Das wird der zukünftige Fahrstuhlschacht», erklärt er mir und deutet hinter sich, «aber das dauert noch.» Er dreht am Zahlenschloss und hebt dann den massiven Deckel hoch. «Hol die Makita raus!»
«Mykita? Eine Sonnenbrille?»
« MAKITA ! Den blauen Hammer da.»
«Ach so der, okay!»
«Ja, ’ne Makita halt. Und den langen spitzen Meißel, musste da drücken, um den zu wechseln.»
«Da?»
«Ja, wo sonst?», braust er schon wieder auf.
Okay, Peter. Relax mal.
Als wir dann vor dem Loch in der Kappendecke stehen, bewundere ich die Leichtigkeit, mit der Peter am Rande des Abgrundes entlangbalanciert und einhändig mit der Makita den großen Hammer langsam frei meißelt. Alles eine Frage der Technik und Gewöhnung.
«Halt das Ding mal fest und ruckel ein bisschen!», brüllt Peter durch den Lärm. Mein Gehörschutz und meine Handschuhe liegen auf dem Boden am Treppenaufgang, da wo ich sie abgelegt hatte. Doch jetzt kann ich das Ding ja nicht loslassen und Peter sagen, er soll mal eben warten. Er trägt sowieso überhaupt keine Schutzausrüstung. «Mach den Großen doch auch an und zieh mal kräftig, Mann! Auf wat wartest du denn?», schimpft er schon wieder.
«Ist ja gut, woher soll ich das denn wissen?», knurre ich zurück, und irgendwie gefällt ihm, dass ich Kontra gebe. Er beruhigt sich etwas und sagt mit normaler Stimme: «Mach!»
Das Piepsen in meinen Ohren bleibt noch für Minuten. Keiner der Arbeiter, die ich bis jetzt gesehen habe, trägt echte Schutzkleidung. Einige tragen Handschuhe, das war’s auch schon. Ich frage mich wirklich, warum das so ist.
«Und jetz pass auf, dat dat nich noch ma passiert. Musste so machen.» Und dann zeigt er mir, wie man das als richtiger Mann so macht und bricht mit ungeheurer Geschwindigkeit ein paar große Brocken heraus. «Ne, so muss dat! Katrin sagte ja, du bist’n Ordentlicher. Dat wird schon! Um 9 : 30 Uhr ist Frühstück. Bis dahin versuch mal den Rest der Kappe zu brechen.»
Den Rest? Pah! Mann, das sind noch ein paar
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