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Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Titel: Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Grünke
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Meter, was stellt der sich denn vor?
    In voller Montur stehe ich wieder am Loch. Langsam finde ich den richtigen Rhythmus und breche Reihe für Reihe. Die Steine stürzen jetzt in kürzeren Abständen in die Tiefe. Raum und Zeit sind schnell wieder verloren in dieser anstrengenden Monotonie. Sonnenstrahlen blinzeln durch die Holzbretter der Giebelseite.
    Im Augenwinkel sehe ich im Staub einen Schatten, der mir zuwinkt. Durch die beschlagene Schutzbrille erkenne ich nur Umrisse. Als ich den Stemmhammer ausschalte und auf den Boden lege, vibrieren meine Hände immer noch, und es kribbelt von den Fingerspitzen bis zum Ellbogen. Ich streife die Brille ab und sehe nun einen Mann in hellblauer Jeans und schwarzer Arbeitsjacke. Der Fellkragen ist aufgestellt, darüber wellt sich eine lange blonde Matte. Ein verwaschenes AC / DC -T-Shirt schaut unter der Jacke hervor.
    Wow, ein echter Vokuhila! Aus seinem von der Kälte geröteten Gesicht leuchten mir zwei stahlblaue Augen entgegen. Erst will ich sagen: «Du hast Augen wie Terence Hill», aber das verkneife ich mir.
    «Bist du der Neue?»
    «Ja. Guten Morgen. Ich bin Nicholas.»
    «Morgen, Richie, Frühstückszeit, komm, wir gehen runter.»
    «Ganz schön kalt heute», sage ich, um irgendwie ein Gespräch zu beginnen.
    «Ach dat is nix, wir hatten mal so ’nen Bau in Frankfurt Oder, da an der polnischen Grenze. Junge, dat war kalt, minus 25  Grad, da ging nix mehr.»
    «Da kann man nicht mehr arbeiten, oder?»
    «Türlich, ham wa durchgezogen, musste ja feddich werden, aber war kalt. Und du? Erster Tach heute, wa?»
    «Ja, hab heute angefangen, sozusagen Probetag.»
    «Hans und ich sind die Maurer hier. Weißte, der Große mit den kurzen Haaren.»
    «Ach so, den habe ich heute Morgen schon kennengelernt. Dieser Hüne.»
    «Dieser wat?»
    «Na, dieser Riese. Der Kräftige.»
    «Jaja, der. Sag ich ja», dabei schnipst Richie seine Zigarette gekonnt in den Gulli.
    Wir steuern eine Bäckerei gegenüber der Baustelle an. Peter sitzt schon an einem Tisch und winkt uns zu sich rüber. Vorher geht’s noch zur Theke. Richie bestellt: «Morgen, Kaffee, zwei Würstchen und zwei Schrippen mit Käse-Salami und dat ganze Grünzeug.»
    «Und bei Ihnen?», fragt mich die mit Tattoos übersäte Bäckerin mit dem Piercing in der Nase.
    «Guten Morgen, könnte ich ein Brötchen mit Käse-Schinken und einen Kaffee bekommen?»
    «Natürlich könnense dit bekommen, wat isn dit für ’ne dumme Frage? Und wollnse Salat?», ranzt sie mich an.
    «Ja, bitte, Salat», sage ich ein bisschen fassungslos. Muss mich an so einiges gewöhnen, merke ich. Ich setze mich zu den anderen an den Tisch.
    Peter schlürft hastig seinen letzten Schluck Kaffee und stellt die Tasse wuchtig zurück auf den Tisch, der darauf kurz, aber heftig wackelt.
    «Der Fahrer von Cemex is zu spät! Der sollte um neune hier sein, dat is scheiße, verzögert den ganzen Ablauf! Jimmys Leute stehen blöd rum, rauchen und quatschen!»
    «Dat is scheiße», stimmt Richie ihm zu.
    «Hans kommt erst um zehn wieder, is noch beim Zahnarzt. Na ja, durch die Verzögerung ist er wenigstens von Anfang an dabei, dat is mir sowieso lieber. Die Araber packen dat nich ohne ihn.»
    «Also, Jimmy ist einer von den Arabern, die ich am Bauzaun gesehen habe?», frage ich.
    Richie fischt ein bisschen Staub aus seinem Kaffee und sagt, ohne mich anzusehen: «Ja, der Grauhaarige.»
    «Wenn der Araber ist, wieso heißt der dann Jimmy?»
    «Wat weiß ich, heißt halt Jimmy und die anderen Joe und Michael, glaube ich. Den Rest kenn ich nich, aber die heißen ursprünglich alle Mohammed oder Ali, kannste nich auseinanderhalten!»
    «Ah, wie Cassius Clay?», werfe ich lachend ein.
    «Wat? Wer?»
    Peter hat den Witz nicht verstanden.
    «Der Boxer aus den Siebzigern, kennst du doch? Weltmeister. Muhammad Ali.»
    «Ja, kenn ich! Toller Kerl», nuschelt Richie. Aber auch er hat den Zusammenhang nicht begriffen.
    «Ja, hab ich ma gehört», lügt Peter, schiebt den Stuhl nach hinten und steht auf. Er verlässt die Bäckerei, und wir bekommen unser Frühstück serviert.
    «Wobei muss Hans denn helfen?», frage ich Richie.
    «Die müssen die Bodenplatte im Erdgeschoss noch gießen.»
    In dem Moment klingelt mein Telefon, und meine Freundin Grace ist dran.
    «Na, wie läuft dein erster Tag? Are you okay?»
    Eigentlich will ich sagen, dass es der allerletzte Scheißjob ist und ich morgen ganz sicher nicht noch mal hingehe. Aber Richie hört zu, und so formuliere ich

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