Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

doch! Prost!» Werner beginnt das Klopfritual.
     
    Irgendwann spät in der Nacht sitze ich mit Richie und Hans in der Ecke am Tresen. Die anderen sind den wilden Jubelschreien am Billardtisch gefolgt. Das Sonne-Trinken nähert sich dem Ende.
    «War wirklich eine großartige Zeit mit euch, ehrlich!»
    «Mensch Nick, Hans und ich fahren im Sommer mit der AIDA nach Brasilien, aufn Amazonas. Willste nich mitkommen?»
    «Warte ma, dat muss ich doch noch mit meiner Alten besprechen.»
    «Ach, komm schon, Hans! Dat wird super! Und, Nick, wat sachste?»
    «Tja, vielleicht. Mal sehen, was der Sommer so bringt.»
    «Dat is bestimmt wat für dich! So ’n echtes Abenteuer! Weißte, die Eingeborenen da, die ham keine Angst vor uns Weißen. Da gibt’s so ’n Ritual: Die Jungs müssen ’nen Menschen töten, um zum Mann zu werden! ’n Freund von mir sacht, da kannste nur mit ’ner Kalaschnikow an Land gehen!»
    «Prost, Jungs. Werde euch vermissen.»

    Zwei Monate später. Vor dem Fenster weht Pulverschnee durch die Straßen Londons. Die Galerie ist überfüllt mit Kunstinteressierten oder solchen, die sich dafür halten. Hostessen jonglieren Tabletts mit Champagnergläsern durch die dichtgedrängte Menge.
    Die meisten Besucher haben den Werken den Rücken zugewandt, stehen in kleinen Grüppchen zusammen und diskutieren – meist über die britische High Society. Also über sich selbst.
    Ein international bekannter Käufer streift gerade seinen Glacéhandschuh ab, um besser nach einem perlenden Champagner greifen zu können. Lance, meiner neuer Boss und Besitzer der Galerie, stößt mit ihm an und erklärt den philosophischen Wert der schwarzen Pfütze, die in einer Ecke glänzt. Er gehört zu den Kreativsten, wenn es darum geht, eine Geschichte zu erfinden, die dem Verkauf eines Kunstwerkes dient.
    Gespannt warten alle auf die angekündigte Performance eines peruanischen Shootingstars. Zwei aufgeplusterte Frauen mit extravaganten Hüten drängen sich bis vor den abgesperrten Bereich. Es ist traurig, immer wieder mit ansehen zu müssen, wie sich Menschen mit Botox freiwillig entstellen. Dieser ewige, nicht zu gewinnende Kampf gegen das Altern.
    Die Videokamera auf dem Stativ wird eingeschaltet, und eine Sirene ertönt. Die Performance beginnt. Mit einem Besen bewaffnet und einer Staubmaske über Mund und Nase, beginnt der junge Mann einen winzigen Sandhaufen von einer Ecke in die andere zu fegen. Im ersten Moment denke ich, das ist ein Scherz. Da bin ich so viele Kilometer weit weg von der Baustelle und muss mit ansehen, wie ein hochbezahlter Künstler vor mir den Boden fegt.
    Der Raum füllt sich langsam mit Staub. Beinahe nach jeder kleinen Bewegung pausiert der Performer mit dem Besen und putzt sich den Schweiß von der Stirn. Das ganze «Spektakel» dauert vielleicht zehn Minuten, dann verbeugt er sich, und die Besucher flippen aus.
    «Welch interessante Erfahrung! Sich in so einem Staubnebel zu befinden und kaum noch etwas zu sehen! Was für eine exquisite Idee!»
    «Ja! Und dieser Link zu Sisyphos! Toll! Bravo!»
    In diesem Moment denke ich an Hans und Richie. Sie hätten die Idiotie in diesem White Cube verstanden. Toll! Bravo!
    Als alle Gäste weg sind, will ich einen Korb mit leeren Champagnerflaschen in den Keller tragen. Beim Anheben zieht es mir schmerzhaft in den Ellbogen, und ich schreie kurz auf.
    Die Hostess neben mir schaut auf: «Was ist los? Alles okay?»
    «Ja, alles okay. Das ist nur ein kleines Andenken von der Baustelle.»
    «Baustelle? Klingt nach einer tollen Performance.»
    «So is dat wohl.»

Danksagung
    Simon Grünke – für die unverzichtbare Mitarbeit von der ersten bis zur letzten Minute. Ohne dessen professionelle Unterstützung und Inspiration dieses Buch kaum möglich gewesen wäre. Keep on going.
    Anja Perišić – The one n only PANDA
    Mathias Baum – Schnittige Wege
    Gesa & Marta – Berliner Unterschlupf
    Malwine Grünke – Südallee-Anführerin
    A.K. Katz – The best ‹Katzenotter› in the world
    Matilda & Carlotta – Yakarische Welten
    Nati & Jinks – Für so unendlich viel
    Jule Kienecker – Schaufensterpuppen-Beschwörerin
    Ayuk Kuperus – !
    Ländon – Star-Länzer
    Dr. Hanna Leitgeb – Rauchzeichen
    Paiydo – Salmando rulaiso de mondaiy
    Pedro Miguel Servera Elhauge – Puskas und das Meer
    Tobias Schumacher – Herr Hernández
    Caroline Schwarte – Puzzel-Sushi
    Julia Suchorski – Reinbek link
    Egbert und Sura van Triest – Helpful