Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
nie Zeit gehabt. Nicht, dass Sie mich jetzt falsch verstehen: Es ist kein Problem, wenn Sie da mal einen Tag stehen, das hab ich Ihnen ja gesagt, aber gleich über zwei Wochen? Ich meine, nicht, dass man noch denkt, Sie hätten ein Dauerabo bei uns!« Die vollbusige Blondine lachte kehlig auf.
Kluftinger räusperte sich. »Nein, nein, Fräulein Uschi. Ich … äh, danke. Wirklich – tut mir leid, aber ich konnte aus … aus ermittlungstechnischen Gründen nicht mein Auto nehmen, und dann … ich …«
»Schon gut – jederzeit gern. Wenn Sie keine Probleme kriegen deswegen.«
»Ja. Nein, ich mein, nein. Ich … genau. Also, vielen Dank noch mal, Fräulein Uschi!«
Unschlüssig blickte er nun zwischen seinen beiden Autos hin und her. Jetzt musste er wählen. Mit welchem sollte er heute Abend nach Hause fahren? Welches stehen lassen? Schließlich fällte er die letzte Entscheidung des heutigen Tages: Er würde den Passat nehmen. Zum einen, weil sein Fahrrad noch immer in der Pförtnerkabine stand, zum anderen aus sentimentalen Gründen: Er freute sich jetzt schon auf das vertraute Fahrgefühl, das gequälte Jaulen des Anlassers und das Nageln des alten Diesels.
»Sagen Sie, Frau Uschi, dürft ich meinen … Zweitwagen ausnahmsweise bis morgen hier noch parken?«
»Diese halbe Portion da? Na klar, Kommissar! Der passt farblich eh viel besser hierher! Aber denken Sie daran: Wir haben beide einen Ruf zu verlieren!« Sie zwinkerte ihm mit einem Auge zu.
»Ich hol ihn morgen, ganz bestimmt«, versprach Kluftinger, auch wenn er noch keine Ahnung hatte, was er mit dem kleinen Auto anstellen und wie er das seiner Familie erklären sollte. Doch darüber wollte er heute nicht mehr nachdenken.
Einige Tage später
»Sensationserfolg!« Er schüttelte den Kopf, als er das Wort flüsternd aussprach, das da in großen Lettern vor ihm stand. Dann nahm er einen Schluck aus seiner Espressotasse und grinste. Eigentlich war es kein wirkliches Kompliment für die Polizei, eher schon eines für ihn. Egal, welche deutsche Zeitung er hier, fern der Heimat, auch auftrieb, alle berichteten darüber und alle in ähnlicher Art und Weise.
Nicht ohne Stolz las er den Artikel noch einmal, ließ sich Begriffe wie Ganovengenie oder Phantom auf der Zunge zergehen. Erst als er zu dem Absatz kam, in dem es um die Vereitelung des Projekts ging, hatte er genug von der Lektüre und faltete die Zeitung zusammen.
Mit einem letzten Schluck leerte er die Tasse und blickte dann auf die Piazza vor ihm. Es war ein Spätherbsttag wie aus dem Bilderbuch, und hier, beschienen von der warmen Oktobersonne, umgeben von historischen Bauwerken, kam er endlich zur Ruhe. Ein paar fremde Wortfetzen drangen an sein Ohr, Kinder spielten Fangen, in der Ferne hörte man gedämpft den Lärm der Stadt, das Hupen, die Motorroller. Er sog die milde Luft ein. Daheim im Allgäu wehten sicher schon die ersten Herbststürme, und die nasskalte Witterung trieb die Menschen in ihre Häuser.
Magnus drehte die Tasse gedankenverloren auf ihrem Unterteller und blickte auf den prachtvollen Dom vor ihm. Er hatte sich seinen Aufenthalt hier anders vorgestellt, hatte als siegreicher Held kommen wollen, doch jetzt war aus seinem Triumphzug eine Flucht mit eingezogenem Schwanz geworden. Nun musste er warten, bis sich die Aufregung zu Hause gelegt hatte. Auch seine Schäfchen daheim würden wohl erst einmal eine Weile ohne ihren Schutzpatron zurechtkommen müssen.
Er senkte den Blick und betrachtete das Foto in der Zeitung, auf dem zwei Männer zufrieden in die Kamera lächelten. Den einen kannte er gut, es war sein alter Lehrmeister, der ihm noch einmal gezeigt hatte, wozu er fähig war. Auch das hatte zu den Lektionen gehört, die er ihm beigebracht hatte: Traue niemandem und unterschätze keinen. Er hatte gegen beide Regeln verstoßen, und nun musste er den Preis dafür zahlen. Er hatte sich zu sicher gefühlt, hatte zugelassen, dass ihm die Polizei zu nahe gekommen war.
Auch um sein Team tat es ihm leid, vor allem mit Lucia hatte er noch einiges vorgehabt.
Nur um Nikolaus war es nicht schade. Er musste bei der Auswahl seiner Leute in Zukunft wieder mehr Sorgfalt walten lassen. Er hätte ahnen müssen, dass Nikolaus eine tickende Zeitbombe war. Nicht umsonst nannte man ihn »das Viech«. Dass der die alte Frau umgebracht hatte, war ein unverzeihlicher Fehler gewesen. Eigentlich hatte damit die ganze Misere erst angefangen, erst ab diesem Zeitpunkt war alles aus dem Ruder
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