Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
die ihn verteidigte: »Nein, das würde er nicht. Dann könnte er nie mehr in dieser Branche arbeiten.«
»Vielleicht hat er das nach dieser Sache ja auch nicht mehr nötig.«
Die Männer und die Frau rutschten unruhig auf der Bank hin und her. Langsam schien Kluftingers Verunsicherungstaktik aufzugehen. Deshalb beschloss er, noch eins draufzusetzen: »Wenn Sie schon einen Verräter in Ihren Reihen gehabt haben, wer garantiert Ihnen, dass es nicht noch mehr waren?«
Jetzt warfen sie sich gegenseitig misstrauische Blicke zu.
»Wann haben Sie denn die richtige Monstranz das letzte Mal gesehen?«
»Wir haben sie ja gar nicht gesehen«, platzte es aus der Frau heraus. »Es war die Aufgabe von Servatius, sie aus dem Tresor zu holen.«
»Aber er muss sie ja irgendwann ausgetauscht haben. Was hat er dann mit der echten gemacht? Und vor allem: Wo hatte er denn die Kopie her?«
Sie schwiegen, aber – so kam es dem Kommissar vor – mehr aus Betroffenheit darüber, dass sie sich diese Fragen selbst nicht beantworten konnten. Es hatte wohl erst einmal keinen Sinn, in diese Richtung weiterzubohren.
Also stellte Kluftinger die Frage, die ihn schon seit Tagen umtrieb: »Wer hat die alte, wehrlose Frau Zahn ermordet?«
Erst blieben alle wie versteinert sitzen, dann blickten sie einer nach dem anderen zu dem grobschlächtigen Mann am Ende der Pritsche. Kluftinger war zufrieden: Offenbar wollte sich keiner von ihnen auch noch mit einem Mord belasten. So wie es aussah, würde seine Arbeit in dieser Hinsicht recht einfach werden.
»Klufti, kommst du mal?« Strobl winkte dem Kommissar zu.
Er stieg ungelenk aus dem Wagen und sah den Kollegen neugierig an.
»Die Monstranz …«, begann Strobl, und sofort hatte er die ungeteilte Aufmerksamkeit seines Vorgesetzten. »Sie ist quasi aufgetaucht.«
»Was heißt quasi?«
»Erinnerst du dich an den Chip?«
»Der, der doch nicht gefunkt hat?«
»Genau. Jetzt sendet er Signale.«
»Hör auf!«
»Doch. Die Experten vermuten, dass er in irgendetwas eingewickelt oder eingepackt war, was ihn abgeschirmt hat. Jetzt funkt er jedenfalls wieder.«
»Wo?«, war alles, was Kluftinger wissen wollte.
»Du wirst es kaum glauben: in Kempten. Und er bewegt sich.«
»Fahrt bitte direkt zur Nordbrücke in Kempten, da irgendwo muss das Ding sein – wir können aber nicht sagen, ob oben oder unten, eventuell sogar in der Iller! Wir bekommen komische Signale: Das Ziel hält andauernd an und bewegt sich dann wieder weiter. Wenn ihr dort seid, gebt Bescheid, over!«
Kluftinger und Strobl saßen in dem kleinen rosa Auto und rasten hinter einem Streifenwagen her in Richtung Stadt. Ein mobiles Blaulicht hatte er nicht im Wagen, also hupte der Kommissar einfach, wenn Gefahr drohte, was zahlreiche Autofahrer mit Kopfschütteln und obszönen Gesten quittierten.
In zwei Minuten wären sie an dem Ort, den ihnen Maier, der im Polizeihubschrauber mitflog, gerade durchgegeben hatte – dann würde die Suche nach der Monstranz endlich konkreter weitergehen und hoffentlich zu einem Ergebnis führen.
»Himmelarsch, diese Drecksampel!«, entfuhr es Kluftinger. Sie waren nur noch zwei Kreuzungen von der Illerbrücke entfernt, konnten den Polizeihubschrauber über der zweispurigen Ringstraße kreisen sehen, als ein neuer Funkspruch aus Strobls mobilem Funkgerät schepperte.
Der Chip – und damit die Monstranz – bewege sich jetzt auf dem Ring weiter, in Richtung Berliner Platz, einer nahe gelegenen großen Kreuzung im Osten der Stadt. Als die Ampel auf Grün schaltete, hieß es über Funk, der Chip sei stehen geblieben.
»Wenn das Ding in einem Auto liegt, müssen die doch sagen können, wo es genau ist!«, wetterte Kluftinger. »Frag mal nach, Eugen.«
Maier zitierte einen neben ihm sitzenden Experten mit den Worten, die Ortung des schwach funkenden Chips vom Hubschrauber aus sei zu schwierig, um genauere Angaben machen zu können, zudem sei es bei den vielen Autos, die auf dem Ring unterwegs waren, unmöglich, das richtige auszumachen. »Jetzt fahren sie wieder in Richtung Gewerbegebiet«, gab Maier durch.
An der großen Kreuzung schaltete die Ampel erneut direkt vor Kluftinger auf Rot. Der Streifenwagen war bereits über der Kreuzung, der Kommissar trat energisch aufs Gas und erschrak kurz darauf heftig über die roten Blitze der Kameras. Priml. Noch war das Auto nicht einmal auf ihn zugelassen, und schon stand ihm eine bürokratische Odyssee bevor, damit die Strafe zurückgenommen wurde. Er zog den
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