Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
Vom Netzwerk:
langweilig. Dill fand eine Parklücke genau dem Hauseingang gegenüber, doch Anna Maude Singe sagte mit Nachdruck: »Du wirst das Ding dort nie reinbekommen.«
    »Du wirst sehen«, sagte Dill, der mächtig stolz auf seine Fähigkeit war, Riesenschlitten auch noch auf engstem Raum abzustellen. Er parkte den Ford zügig und sogar mit einiger Bravour. Als er es schließlich geschafft hatte, blieben am vorderen und hinteren Ende des Wagens allenfalls noch fünfzehn Zentimeter zum Manövrieren. Anna Maude zeigte sich unbeeindruckt. »Was ist, wenn ich hier schnell raus muß?« fragte sie.
    »Ich schätze, das geht nicht«, sagte er.
    Sie schaute auf ihre Uhr. »Einundzwanzig Uhr fünfundzwanzig.«
    »Ich geh jetzt wohl besser.«
    »Hast du keinen Regenmantel?«
    »Nein.«
    »Du solltest aber einen Regenmantel haben.«
    »Na ja, ich hab eben keinen.«
    Sie runzelte die Stirn. »Ich möchte nicht, daß du da reingehst.«
    »Warum nicht?«
    »Ach Herrgott, rate einfach mal.«
    Er lächelte, legte einen Arm um sie und zog sie sanft zu sich heran. Sie schmiegte sich an ihn. Sie küßten sich lange, beinahe andächtig, und als sie sich voneinander lösten, lehnte sie sich tief in den Sitz und schaute ihn prüfend an.
    »Ich weiß auch nicht, Dill«, sagte sie.
    »Was?«
    »Vielleicht bin ich eigentlich doch deine Süße.«
    Mit dem kleinen Sony-Recorder im Eiskrembeutel der King Brothers rannte Dill im strömenden Regen über die Straße und in den Eingang der Van Buren Towers. In der Vorhalle stellte er fest, daß er zwar ein paar Tropfen abbekommen hatte, aber nicht richtig naß geworden war.
    Er fuhr in der einzigen Kabine bis hinauf in den fünften Stock, ging den Korridor hinab, schloß die Tür zu Anna Maude Singes Apartment auf und ging hinein. Nachdem er zwei Lampen eingeschaltet hatte, warf er einen prüfenden Blick auf seine Uhr und stellte fest, daß es einundzwanzig Uhr neunundzwanzig war. Auf dem Weg ins Badezimmer blieb er noch einmal vor dem Maxfield-Parrish-Druck stehen, um sich ein letztes Mal zu überzeugen.
    Wieder gelangte er zu dem Schluß, daß die beiden Figuren auf dem Druck Mädchen waren.
    Im Badezimmer benutzte er ein Handtuch, um sich Hände und Gesicht zu trocknen, und fuhr sich damit nachdenklich über sein kupferfarbenes Haar. Er besah sich im Spiegel und entdeckte eine Spur Lippenstift an seinem Mund. Er wischte sie mit dem Handtuch weg und starrte sein Spiegelbild an. Du siehst müde aus, alt, ängstlich, und deine Nase ist wie immer zu lang, sagte er zu sich selbst und ging zurück ins Wohnzimmer.
    Er stand schon wieder vor dem Maxfield-Parrish-Druck, als er das Klopfen hörte. Er ging zur Tür, öffnete, und Jake Spivey kam in seinem Burberry-Trenchcoat herein.
    »Jesus, Jake, du siehst ja aus wie jemand, der gerade Foreign Intrigue entstiegen ist.«
    »Nein, tu ich nicht«, sagte Spivey. »Ich seh aus wie ein fetter Knabe in einem Trenchcoat, und das einzige, was noch dümmer aussieht, ist eine Sau in einem blütenweißen Hemd. Aber Daffy hat ihn für mich gekauft, und, na ja, zum Teufel, schließlich regnet es, und so trage ich das blöde Ding.«
    Spivey war schon dabei, den nassen Trenchcoat aufzuknöpfen, und sah sich dabei neugierig im Wohnzimmer um. »Also mich trifft der Schlag, hier sieht’s ja aus wie irgendwann in den vierziger Jahren. Es war doch wohl nicht in diesem Stockwerk, oder?«
    »Was denn?«
    »Tante Louise. Du erinnerst dich doch an Jack Sacketts Tante Louise?«
    »Ich erinnere mich.«
    Spivey schloß die Augen und lächelte versonnen. »19. Juli 1959. Ungefähr vierzehn Uhr dreißig nachmittags.«
    Noch immer lächelnd, öffnete er die Augen. »An all das kann ich mich gut erinnern, aber nicht mehr daran, auf welchem Stockwerk es gewesen ist.«
    »Im vierten«, sagte Dill, der sich plötzlich wieder erinnern konnte. »Nummer vier-zwei-acht.«
    Spivey nickte. »Du wirst schon recht haben.« Er hielt den nassen Trenchcoat hoch. »Und wo soll ich damit hin?«
    Dill nahm den Mantel und sagte, daß er ihn an der Badezimmertür aufhängen wollte. Als er zurückkam, saß Spivey auf der Couch und starrte auf den Parrish-Druck.
    Dill fragte ihn, ob er einen Drink wollte. Spivey schüttelte den Kopf und sagte: »Schnaps und Clyde Brattle, das verträgt sich nicht.« Sein Blick schweifte von dem Druck an der Wand zu Dill. »Hat sich Clyde so angehört, als wollte er ins Geschäft kommen?«
    »Könnte sein – es wird davon abhängen, was du ihm zu bieten hast.«
    »Ich hab schon

Weitere Kostenlose Bücher