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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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Läuten meldete sich eine weibliche Stimme. Dill vermutete, daß es Dora Lee Strucker war, die schwerreiche Ehefrau. Er nannte seinen Namen, entschuldigte sich für den späten Anruf und fragte, ob er mit ihrem Mann sprechen könnte. Sie sagte, sie freue sich zu jeder Tageszeit, von Dill zu hören, und daß Johnny den Anruf in seinem Arbeitszimmer entgegennehmen würde.
    Strucker meldete sich mit einem ausdruckslosen: »Ja, bitte.«
    »Wie würde es Ihnen gefallen, Clyde Brattle die Schlinge um den Hals zu legen?«
    »Brattle, wie?«
    »Brattle.«
    Strucker seufzte. Es war ein hohler, grabesgleicher Seufzer, wie Dill ihn bisher noch nie von Strucker gehört hatte. »Aus Kansas City?« gab Strucker zurück, fast, als hätte er gehofft, daß Dill sagen würde, nein, dieser bestimmte Brattle ist aus Sacramento oder Buffalo oder Des Moines.
    »Aus Kansas City«, sagte Dill. »Jedenfalls ursprünglich.«
    »Wo?« fragte Strucker.
    Dill nannte ihm das Haus und die Apartmentnummer von Anna Maude Singe.
    »Wann?«
    »Punkt zehn.«
    »Zehn, wie?«
    »Zehn.«
    »Ich werd’s mir durch den Kopf gehen lassen«, sagte Strucker und legte auf. Es war nicht ganz die Reaktion, die Dill erwartet hatte. Eigentlich, fand Dill, hätte Strucker begierig danach schnappen müssen. Es sei denn natürlich, er mußte sich vorher noch mit jemandem absprechen. Dill wählte Struckers Nummer noch einmal.
    Sie war besetzt. Er drückte die Gabel und wählte gleich darauf Jake Spiveys Nummer. Auch sie war besetzt. Dill legte langsam den Hörer zurück. Gewiß, die beiden mochten jetzt miteinander sprechen, redete er sich selbst ein, aber denkbar war schließlich auch, daß sie mit einer Million anderer Leute telefonierten.
    »Du machst ein komisches Gesicht«, sagte Anna Maude.
    »Tatsächlich?«
    »Du siehst aus, als hätte er nein gesagt.«
    »Er sagt, er will es sich durch den Kopf gehen lassen.«
    »Das ist nicht grad das, was man von einem Bullen erwarten würde. Richtig wäre, wenn er gesagt hätte: ›Halten Sie Brattle unbedingt so lange fest, bis ich komme, und lassen Sie ihn nicht aus den Augen‹ – jedenfalls so ähnlich.«
    »Es sei denn, er …« Dill dachte den Gedanken nicht zu Ende, weil er so unausgegoren war, so außergewöhnlich häßlich und sogar grotesk.
    »Es sei denn, was?« fragte Anna Maude.
    »Nun, daß er schon gewußt hat, daß Brattle hier ist.«
    Ihre Augen öffneten sich wieder weit, und Dill konnte feststellen, wie schön sie waren. Wenn sie besorgt ist, dachte er, sehen sie sogar noch dunkler aus. Beinahe echt violett.
    »Falls er über Brattle schon Bescheid gewußt hat, bevor du angerufen hast«, sagte sie, »dann würde das bedeuten, daß irgend jemand gewaltig aufs Kreuz gelegt wird. Wahrscheinlich du.«
    »Vielleicht«, sagte Dill. »Aber vielleicht auch nicht.«
    Und hier begann erneut ein heftiger Streit zwischen ihnen. Anna Maude Singe bestand dadrauf, Dill zu begleiten. Er lehnte ab. Sie protestierte, es wäre schließlich ihr eigenes verdammtes Apartment, und sie könnte dort ein und aus gehen, wann immer es ihr, verdammt noch mal, paßte. Dill erwiderte, daß sie auf gar keinen Fall mit ihm gehen würde. Sie drohte damit, den Senator anzurufen und ihm von dem Tonband zu erzählen. Dill schob ihr das Telefon hin. Sie nahm ab, wählte die 0 vor und fragte nach Senator Ramirez’ Zimmernummer. Dill riß ihr den Hörer aus der Hand und schmiß ihn auf die Gabel. Nach einigem Hin und Her gelangten sie zu einem Kompromiß: Sie würde zwar mitkommen, aber nicht mit hineingehen. Statt dessen sollte sie in Dills Wagen warten und beobachten, wer hineinging und herauskam. Sie hielt das für einen wahnsinnig blöden Einfall. Dill meinte darauf, falls er nicht nach einer Stunde wieder herauskäme, dann wäre das keineswegs verdammt blöde, sondern könnte riesengroße Schwierigkeiten bedeuten. Sie wollte wissen, was er denn von ihr erwarte, falls er nach einer Stunde nicht herauskäme. Er riet ihr, daß sie dann jemanden anrufen sollte, aber als sie ihn fragte wen, sagte er nur:
    »Keinen blassen Schimmer. Irgendwen.« Sie beließen es dabei.
    Es regnete noch immer, als sie in Dills gemietetem Ford vor den Van Buren Towers wendeten. Er ertappte sich plötzlich dabei, daß er dieses Apartmenthaus bei sich zuerst immer ganz automatisch das Old Folks Haus nannte und es erst nachträglich in seinen richtigen Namen übersetzen mußte. Der Regen war stetig und unerbittlich und, wie alles Stetige und Unerbittliche, etwas

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